Die US-Zollpolitik bleibt unübersichtlich, die vielen Wendungen von US-Präsident Donald Trump sind weiterhin schwer zu durchschauen. Nach seinem „Liberation Day“, bei dem Anfang April Sonderzölle gegen die meisten Staaten der Welt verkündet wurden, legte sie Trump – kurz darauf – für fast alle Länder wieder auf Eis. Zumindest für 90 Tage. Die große Ausnahme ist China, hier drehte sich die gegenseitige Eskalationsspirale in einem atemberaubenden Tempo, was an den Börsen immer wieder zu heftigen Ausschlägen geführt hat. Seit Anfang dieser Woche stellt Trump nun eine Lösung mit China in Aussicht. „Wir werden sehr nett sein. Sie werden sehr nett sein, und wir werden sehen, was passiert“, so Trump zum Zollkrieg mit China. Letztendlich müsse sich Peking aber auf ein Abkommen einlassen. Er sprach aber von einem „fairen Deal für alle“ – ohne nähere Details zu nennen. An globalen Aktienmärkten sorgte die Hoffnung auf eine Beilegung des Konflikts für Zugewinne.
Zuvor hatte das „Wall Street Journal“ berichtet, dass das Weiße Haus eine Senkung der hohen Zölle auf Waren aus China erwäge. In einigen Fällen sei eine Senkung um mehr als die Hälfte im Gespräch, so die Zeitung unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen. Allerdings habe Trump noch keine finale Entscheidung getroffen.
Doch wie ist Trumps „Melange“ aus Ankündigungen, Drohungen und Rückzieher zu bewerten? Der Außenhandelsexperte Niclas Poitiers vom Bruegel Institut in Brüssel sagt am Mittwochabend in der ZiB2: „Es ist tatsächlich das pure Chaos.“ Es sei viel „hin und her“ zu beobachten. „Ich glaube, Trump testet aus, was ist durchhaltbar“, so Poitiers. Manche seiner Ideen seien „technisch nicht durchführbar und treffen am Ende viele amerikanische Konsumenten“. Auch das sei aus seiner Sicht ein Grund, „warum wir jetzt dieses Zurückrudern sehen“.
„China hat gezeigt, dass man bereit ist, zu eskalieren“
Hat China mit seinen harten Reaktionen demnach richtig agiert, um Trump zu kontern? „Ich glaube für China war das die richtige Art“, so Poitiers. China habe gezeigt, „dass man bereit ist, zu eskalieren und dass man das auch selber aushalten kann“. Trump habe nun darauf reagiert. „Natürlich schauen jetzt alle anderen Länder der Welt, wie dieser Konflikt ausgeht und ziehen ihre Schlüsse.“ Die Vorstellung, durch Zölle das riesige Handelsdefizit der USA gegenüber China auszugleichen, sei „nicht realistisch“, so Poitiers. China investiere lieber in US-Technologiefirmen oder US-Staatsanleihen, Zölle hätten mit einem Handelsdefizit wenig zu tun.
Was kann Europa aus dem Konflikt USA-China lernen? „Wenn die Kosten zu hoch werden, zieht er sich auch zurück“, so Poitiers mit Blick auf Trump. Es zeige sich, dass Trump eine „Schmerzgrenze“ habe. Als es Turbulenzen auf dem Markt für US-Staatsanleihen gab, habe sich das gezeigt, das habe ihn dazu bewogen, seine Strategie zu ändern“. Europa müsse sich überlegen, wie man Druck aufbauen kann und die Kalkulation so zu verändern, dass man im Weißen Haus nicht mehr glaubt, Zölle so aufrechterhalten zu können. Sollten die US-Zölle gegen die EU nach der Zollpause wieder wie ursprünglich geplant, in Kraft treten, habe die EU dennoch mehrere Möglichkeiten, so Poitiers. Man könne US-Produkte mit Zöllen belegen, die insbesondere in republikanischen Wahldistrikten produziert werden. Auch Agrokulturprodukte aus den US-Südstaaten seien hier eine Option. Auch digitale Zölle auf US-Techriesen könnte man einführen. Die jüngsten EU-Strafen gegen Meta und Apple seien zwar „nicht als Gegenmaßnahmen auf Zölle gemeint, auch wenn‘s so gelesen werden kann“, so Poitiers.
„Das zeigt wie schwierig und gefährlich dieser Konflikt ist“
Für „sehr problematisch“ hält der Ökonom Trumps Umgang mit der US-Notenbank Fed bzw. deren Chef Jerome Powell. In Ländern wie der Türkei habe man gesehen, was passiert, wenn die Notenbank nicht mehr unabhängig ist. „Dort hat man sehr hohe Inflation, weil der Staatspräsident immer wieder Druck auf die Notenbank ausübt, die Zinsen zu senken.“ Eine solche Situation wäre „unhaltbar“ für eine Ökonomie der Wichtigkeit der USA, warnt Poitiers. Powell sei durch Gesetze vor einer Absetzung zwar an sich geschützt, doch allein Trumps Ankündigung, dass er dies möchte, habe schon zu Verwerfungen geführt. „Das zeigt wie schwierig und gefährlich dieser Konflikt ist“.
Lagarde: „Abschwächung von Wachstumszahlen“
Der Zollkonflikt hinterlässt auch laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits erste Dämpfer beim Wachstum in Europa. Die Effekte seien in Europa und in den USA unterschiedlich, so Lagarde auf einer Veranstaltung der „Washington Post“ in der US-Hauptstadt. „Wenn ich mich darauf konzentriere, was in Europa passiert, beginnen wir, eine Abschwächung von Wachstumszahlen zu sehen“, sagte sie. „Und ich würde nicht ausschließen, dass wir auch unseren Wachstumsausblick nochmal überdenken werden, wenn wir unsere nächsten Projektionen im Juni erstellen.“