Der von US-Präsident Donald Trump angefachte Zollkonflikt hinterlässt laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits erste Dämpfer beim Wachstum in Europa. Die Effekte seien in Europa und in den USA unterschiedlich, sagte Lagarde am Mittwoch auf einer Veranstaltung der „Washington Post“ in der US-Hauptstadt.
„Wenn ich mich darauf konzentriere, was in Europa passiert, beginnen wir, eine Abschwächung von Wachstumszahlen zu sehen“, sagte sie. „Und ich würde nicht ausschließen, dass wir auch unseren Wachstumsausblick nochmal überdenken werden, wenn wir unsere nächsten Projektionen im Juni erstellen.“

Solidarität für Powell

Nach den Attacken von Trump auf US-Notenbankchef Jerome Powell warnt Lagarde vor politischer Einflussnahme auf die Geldpolitik. Wann immer es politische Einmischung gegeben habe und wann immer der Chef oder Präsident einer Zentralbank deshalb seine Unabhängigkeit verloren habe, seien ein geringeres Wirtschaftswachstum und gestiegene Inflation die Folge gewesen, sagte Lagarde. „Das will niemand, und schon gar nicht dient es der Mission“, sagte Lagarde, ohne Trump direkt zu erwähnen. „Das Talent und die Kompetenz des Fed-Vorsitzenden beruhigen mich“, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank weiter. „Und ich weiß, dass er all seine Anstrengungen und seine ganze Disziplin in die Erfüllung seiner Mission steckt.“ Sie habe „großen Respekt“ vor Powell, sagte Lagarde. Er tue genau das, was von ihm erwartet werde, um dem amerikanischen Volk und der Finanzstabilität zu dienen.

Diese neuen Inflations- und Wachstumsprognosen der Notenbank-Volkswirte werden den EZB-Währungshütern auf ihrer nächsten Zinssitzung am 4. und 5. Juni bei ihren Beratungen vorliegen. Die vierteljährlich erstellten sogenannten Projektionen sind stets eine wichtige Entscheidungshilfe für die Euro-Wächter in der Zinspolitik.

Unsicherheit

„Was die Inflation angeht, ist das eine andere Geschichte“, sagte Lagarde. In Europa sei es sehr unklar, was die Nettoauswirkungen der Zölle sein werden. Es seien derzeit keine Gegenmaßnahmen beschlossen. Augenblicklich seien die Nettoauswirkungen auf die Inflation unsicher, was Lagarde zufolge auch von Verhandlungen abhänge. „Wir befinden uns in dieser Übergangsperiode, in der wir nicht exakt wissen, was bei diesen Diskussionen, die im Moment laufen, herauskommen wird,“ sagte sie.

Die jüngsten EZB-Projektionen vom März gehen für dieses Jahr von einem Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent in der Euro-Zone aus. Sie rechnen zudem 2025 mit einer Teuerungsrate von 2,3 Prozent.