Dass Gold in unsicheren Zeiten als sicherer Hafen gilt, ist nicht neu. Doch wie unsicher müssen Zeiten sein, in denen sich der „sichere Hafen“ zu beispiellosen Höhenflügen aufbäumt? Noch vor einem Jahr wurde eine Feinunze des Edelmetalls (31,3 Gramm) zu rund 2000 Dollar gehandelt, kaum höher als zum Höhepunkt einer Preisrally 13 (!) Jahre zuvor. Doch die Preiskurve zeigt seither steil nach oben und erzielte am Mittwoch einen vorläufigen Höhepunkt: 2861 Dollar (2753 Euro). Ein Plus von 9,1 Prozent seit Jahresbeginn und von rund 75 Prozent in zweieinhalb Jahren.
Trumps Zollpolitik treibt den Preis
Was aber treibt Gold von einem Allzeithoch zum nächsten – allein 2024 wurden 38 solcher Rekorde verzeichnet? Es ist ein Potpourri an Gründen, das Gold heller denn je strahlen lässt. Ein wesentlicher Treiber ist die Geopolitik. Salopp formuliert: Je unsicherer, desto Gold. Eindeutig sind solche Preisausschläge im Zuge großer geopolitischer Ereignisse – der Hamas-Angriff auf Israel, die russische Invasion der Ukraine oder der Brexit ließen die Börsenkurse stürzen und den Goldkurs steigen. Zu den Preistreibern zählt heute vor allem die Furcht der Anleger vor den Folgen der Politik der Regierung Trump, erklärt Andrea Greisel von der Fürst Fugger Privatbank. Dessen Zollpolitik treibt aktuell den Goldpreis.
Ungestillter Hunger nach Goldreserven
Weiter ungestillt ist der Hunger der Zentralbanken nach Goldreserven, auf sie allein entfällt fast ein Viertel der globalen Nachfrage. „Die globalen Notenbanken waren und sind eine wesentliche Triebkraft für den starken Goldpreis“, analysiert Raiffeisen Research. 2022, 2023 und 2024 erwarben die Notenbanken jeweils doppelt so viel Gold wie in den zehn Jahren zuvor– jedes Jahr mehr als 1000 Tonnen Gold. 2024 waren es 1045 Tonnen zum Preis von 96 Milliarden Dollar. Die polnische Notenbank langte mit rund 90 Tonnen Gold am kräftigsten zu, gefolgt von der indischen und chinesischen Zentralbank.
Marktmechanismen pausieren
Selbst klassische Marktmechanismen scheinen derzeit zu pausieren. Der drohende – und mit China schon praktizierte – Handelskrieg der USA mit seinen wichtigsten Partnern treibt zwar den Goldkurs, hält aber Aktienindizes ebenfalls nicht von Werten nahe an den Höchstständen ab. Und auch dass die erhofften Zinssenkungen in den USA, die normalerweise den Goldpreis stärken, ausbleiben könnten und die Zinsen für Staatsanleihen hoch bleiben, tut dem Höhenflug des Edelmetalls keinen Abbruch. Die Goldlagerbestände an der New Yorker Terminbörse COMEX bzw. den dafür vorgesehenen speziellen Lagerhäusern platzen aus allen Nähten. Auch weil tonnenweise Gold von London, wo physisches Gold üblicherweise verwahrt wird, in die USA verlagert wird, wo der Goldpreis höher ist.
Kein jähes Ende des Goldrausches
Einblicke in die Mechanismen des Goldpreises gewährt der jüngst veröffentlichte Bericht des „World Gold Councils“: Insgesamt wurden demnach 2024 4975 Tonnen Gold gekauft, mehr als je zuvor. Für ein jähes Ende des Goldrausches spricht nicht viel. Denn auch für private Investoren ist der – inflationsschützende – Glanz des Goldes offenbar unwiderstehlich. Inder und Chinesen sorgen für die Hälfte der weltweiten Nachfrage nach Goldbarren und -münzen. Auch die stärkere Nachfrage spekulativer Käufer treibt den Anstieg der globalen Goldnachfrage.
Gekauft wird Gold nicht nur in Form von Münzen und Barren, sondern auch mittels mit Gold bedeckter ETFs. Goldsparpläne werden immer beliebter. Eine Kehrseite hat der Boom: Die Nachfrage nach Goldschmuck sinkt, 2024 um elf Prozent, schlicht, weil Gold so teuer ist.
Was die Nachfrage stützen könnte
Ob das Edelmetall in diesem Jahr aber tatsächlich noch heller strahlen wird, steht naturgemäß in den Sternen. Ein Blick auf die Aktienindizes schadet nicht: Die Tatsache, dass Gold dann am besten performt, wenn die Börsen abschmieren, scheint erwiesen – Raiffeisen Research zufolge hat Gold in den zehn schlechtesten Quartalen für US-Aktien in den letzten 50 Jahren in acht Fällen den stürmischen Börsenphasen getrotzt und teilweise signifikant zulegen können. Auch die enorme Staatsverschuldung – man denke an Frankreich und die USA – könnte die Nachfrage nach (sicherem) Gold stützen.
Bleiben hingegen die Zinsen (und die Aktienindizes) wider Erwarten hoch, belastet das den Wert des Goldes, das keine Zinsen abwirft. Bleibt der aufmerksame Blick auf die Nachfrage der Zentralbanken, die ihre nationalen Reserven wohl weiter aufstocken werden – laut dem Branchenverband World Gold Council lasse die Nachfrage auch 2025 nicht nach. Trotz des leichten Rückschlags des Goldpreises gegen Ende der Woche sehen daher eine Reihe von Analysten wie Andrea Greisel die 3000 Dollar je Feinunze als längerfristiges Kursziel möglich. Gesetzt ist das freilich nicht.