Tag für Tag spazieren im Grazer Hipsterbezirk Lend Bewohner und Besucher in der Mariahilfer Straße an einem nicht alltäglichen Schaufenster vorbei. Darin stehen Dutzende, bunt bemalte Skulpturen von Vulven, also der Gesamtheit der äußerlichen weiblichen Geschlechtsorgane. Viktoria Krug (30) hat diese mit ihrem Projekt Vulvarium seit 2020 durch Gipsabdrücke bei rund 1000 Frauen – mittlerweile aus halb Europa – angefertigt. Der Preis: 275 Euro.

Ihre Skulpturen stehen auch im Linzer Stadtmuseum, wo ein derartiger Workshop der Wiener Künstlerin Gloria Dimmel jüngst zum Politikum wurde. Die FPÖ protestierte dagegen, dass man im Namen des Feminismus Frauen auf ihre Vulva reduziere.

In Graz gibt es die Auslage seit fast zwei Jahren – ohne jede Empörung. Krug geht es auch nicht um Bloßstellung und Provokation, sondern um die Selbsteroberung einer Tabuzone. Mit 27 Jahren hat sie Ganzkörperabdrücke einer englischen Künstlerin gesehen und sich erstmals dafür interessiert, was sie in der Hose hat: „Ich war überrascht, wie unterschiedlich Vulven ausschauen.“ Nach Gesprächen mit Freundinnen war klar: Das ist für viele Frauen ein blinder Fleck.

Kundinnen von der Studentin und Bankerin bis zur Pensionistin

Die (Aufklärungs-)Arbeit, der sie heute nachgeht, begann mit einem Selbstversuch. Inzwischen kann die Biologin von ihrem Handwerk leben – und fährt für diese „Vulvacastings“ bis nach Berlin, Hamburg oder Barcelona. Frauen von 18 bis 72 Jahren gehören zu ihren Kundinnen – von der Studentin über die Bankerin bis zur Pensionistin.

Das Vulvarium im Schaufenster in Graz-Lend
Das Vulvarium im Schaufenster in Graz-Lend © Hecke

Wichtig sei bei diesen Gipsabdrücken, dass sie einen entsexualisierten Blick auf eine Tabuzone ermöglichen: „Deshalb ist es auch nicht verboten, die Skulpturen öffentlich zu zeigen. Das ist eben keine Pornografie“, sagt die in Graz lebende Kärntnerin: „In unserer Gesellschaft gibt es Nacktheit sonst nur idealisiert oder sexualisiert in Medien, Werbung und in Pornos.

Junge Frauen fragen: Ist bei mir da unten alles in Ordnung?

Es entstehe enormer Druck, dem vor allem junge Frauen ausgesetzt sind: „Viele kontaktieren mich, ob bei ihnen alles in Ordnung ist.“ Vorbilder, mit denen sie ihre Vulven vergleichen sind kosmetisch und chirurgisch verändert. Der offene Umgang soll Scham und Ängste nehmen und zu einem gesunden Körpergefühl verhelfen, sagt Krug, die in ihren Vulvacastings auch lange Gespräche mit den Frauen führt.

"Auch Penisse in Gips wären notwendig"

Würde eine Auslage voller Penisse für mehr Aufregung sorgen? „Wenn sie erigiert, also sexualisiert sind, schon", meint die Grazerin, hält so ein Projekt aber für dringend notwendig: „Männer leiden unter dem omnipräsenten Vorbild des gut ausgestatteten Kerls, der immer können muss.“ Auch diese Aufklärungsarbeit sollte uns nicht zu bunt werden, meint die 30-Jährige, auch da brauche es Gipsabdrücke: „Aber das muss ein Mann erledigen, der aus eigener Erfahrung weiß, wie das ist.“