Es ist ein Zwischenstand, der trügt. So wirft der aktuelle Gesamtweltcup Stefan Kraft derzeit nur auf Platz sieben aus. Dies rührt allerdings nicht von der Ermangelung erbrachter Spitzenplätze, sondern ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass Österreichs Schanzen-Star die Weltcup-Wochenenden in Ruka und Wisla aufgrund der Geburt seiner Tochter sausen ließ. Dritter beim Auftakt in Lillehammer, Erster in Falun (sein 46. Weltcupsieg!) und Zweiter in Klingenthal sind Resultate, die dem Pongauer gebühren und die darauf hoffen lassen, dass er zur Stelle ist, wenn es darauf ankommt.

Das ist heute der Fall, wenn in Oberstdorf die 74. Vierschanzentournee startet. Einmal konnte der 32-Jährige das Schanzen-Spektakel bereits gewinnen (2014/15), bei der vorjährigen Tournee landete Kraft nach einem packenden Finale in Endabrechnung mit nur 4,1 Punkten Rückstand hinter Daniel Tschofenig und Jan Hörl auf Platz drei. Und heuer? Nachdem Tschofenig und Hörl zuletzt mit etwas Schnee im Getriebe die Bakken hinunterhüpften, ruhen die rot-weiß-roten Hoffnungen unter den arrivierten „Adlern“ vorrangig auf Kraft.

Vor allem in Oberstdorf. Der Schattenberg zählt zu seinen erklärten Lieblingsschanzen und dort konnte er auch im Vorjahr gewinnen. „Auch wenn ich mir zuletzt in Engelberg schwergetan habe, weiß ich, dass ich gut drauf bin. Und oft reicht auch nur ein guter Sprung, um wieder die absolute Leichtigkeit zu bekommen“, sagte der Salzburger. Da käme Oberstdorf gerade recht: „Ich habe mich hier im Training schon oft blöd angestellt, aber spätestens bei der Quali war ich dann immer am Punkt. Aber das ist das Phänomen Vierschanzentournee – da geht es endlich los und die Stadien sind voll. Das taugt mir.“

Von den vergangenen Ergebnissen könne sich Kraft nichts kaufen, „doch ich weiß, wenn ich zur Tournee komme, hat es eigentlich immer sehr gut gepasst. In Oberstdorf habe ich zu 90 Prozent immer einen sehr guten Start hingelegt. Ich habe meine Sachen beieinander, jetzt muss ich nur abliefern.“ Ob er aufgrund des knappen Ausgangs 2024/25 mit der Tournee noch eine Rechnung offen habe, verneint der Routinier: „Es war eine wunderbare Tournee, auch wenn das Ende für mich bitter ausgefallen ist. Aber ich habe sie schon einmal gewinnen können und weiß, dass dafür alles zusammenpassen muss. Das war bei mir in den vergangenen Jahren leider nicht mehr der Fall.“

Dass sich Österreichs „Adler“, die aktuell keinen Springer in den Top fünf stellen, in einer Krise befinden würden, tut Kraft mit einem Lächeln ab. Immerhin habe man derzeit vier Athleten in den besten Zehn des Gesamtweltcups. „Die Startplätze in Österreichs sind so umstritten wie bei keiner anderen Nation. Es haben sich eben nur ein paar kleine Fehler eingeschlichen und die anderen können ja auch sehr gut skispringen. Die Top drei sind im Moment andere, aber wir kommen gleich danach.“ Zudem gefalle Kraft die Rolle als Jäger ganz gut, sei es doch als Favorit nie leicht, die Erwartungen zu erfüllen.

Dass er als Jungvater nun mehr Verantwortung habe und deshalb auf der Schanze weniger Risiko nehme, quittiert das Schanzen-Ass mit einem Lächeln. „Leider ist das Gegenteil der Fall, ich gehe noch viel zu oft All-in. Wenn ich am Balken sitze, ist das der einzige Moment, wenn ich nicht an meine Tochter denke.“ Auch auf seine künftige Karriere habe das Elternsein vorerst keinen Einfluss. „Solange ich nach wie vor Spaß beim Trainieren habe und ganz vorne mitspringen kann, werde ich weitermachen.“