Im Interview mit SPOX sprach der 48-Jährige über menschenleere Züge, die ihn nach Schladming bringen, und wie Skigebiete in Zeiten der Klimakrise der Umwelt nützen könnten. Außerdem erklärt der dreifache Medaillengewinner bei Großereignissen Hintergründe der ORF-Produktion von Ski-Weltcuprennen und verrät, warum er Respekt vor einem Traineramt im ÖSV hat. Für den Gesamtweltcup hat Hans Knauß sowohl bei den Damen als auch bei den Herren einen Favoriten.

Herr Knauß, sie bieten in Ihrer Heimat Schladming Ferienwohnungen unter dem Motto "Urlaub ohne Auto" an. Ist das als Zeichen gegen die Klimakrise zu verstehen?

Hans Knauß:Urlaub bedeutet für mich zum Teil auch, nicht auf ein Auto angewiesen zu sein. Mit dem Geld, das ich vom Skifahren verdient habe, leistete ich mir ein Haus, das ich vermiete und verpachte. Die Lage ist so gut, dass man das Auto abstellen und alles zu Fuß erledigen kann: Es sind 300 Meter bis zur Vier-Berge-Skischaukel, Restaurants sind ebenfalls in Gehweite und das Busnetz spielt auch gut mit hinein. Die Klimakrise ist gesellschaftspolitisches Thema Nummer eins, daher ist die Lage ein Segen.

Schladming liegt im Ennstal, das dortige Verkehrsaufkommen ist enorm. Welcher Schritt wäre in dieser Region nötig, um dem Klima weniger zu schaden?

Unsere Straßen sind völlig überfordert. Ich sehe immer öfter Kennzeichen, dessen Fahrzeuge bestimmt nichts mit Ziel- und Quellverkehr zu tun haben. Der erste logische Schritt wäre für mich, diese Mautflüchtlinge von der Bundesstraße wegzubekommen.

Würden Sie Fahrverbote begrüßen, wie sie etwa in Innsbruck in den vergangenen Monaten forciert wurden?

Es wäre durchaus eine Überlegung. Ich bin jetzt 48 Jahre alt, seit meinem 18. Lebensjahr fahre ich mit dem Auto. Ich kenne den Vergleich zu damals, als ich regelmäßig nach Sölden fuhr. Was heute am sogenannten "Deutschen Eck" und auf der Inntalautobahn abgeht, ist nicht mehr normal.

Ist das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln im Ennstal zufriedenstellend?

Im letzten Jahr bin ich zum ersten Mal seit Langem von Graz nach Schladming mit dem Zug gefahren. Ich war so gut wie alleine im Zug, daher fragte ich den Schaffner, ob das immer so sei. Er bestätigte mir, dass auf der Strecke nie viel Trubel herrscht. Die Zugverbindungen sind so schlecht, da befinden wir uns auf einem Niveau von vor 40 Jahren. Es muss die Chance geben, dass ein Schladminger mit dem Zug nach Wien fährt, und dafür nicht vier bis fünf Stunden braucht. Auf der Schiene gehört so viel optimiert, wir haben wahnsinnig viel Arbeit vor uns.

Sie machen sich also über diese Themen regelmäßig Gedanken?

Es beschäftigt mich durchaus. Ich nehme mich selbst nicht aus und sehe mich auch als Teil des Problems. Immerhin bestelle ich meine Zahnbürste nicht auf Amazon, sondern kaufe sie lokal im Ort. Meine Arbeit zwingt mich leider häufig dazu, Schladming zu verlassen. Ich sitze viel im Auto und Flugzeug, da müssen wir alle besser werden. Etwas stört mich aber in dieser Debatte besonders.

Klären Sie uns bitte auf.

Wenn ich in Sachen CO2-Ausstoß auf die Weltmeere blicke, wird mir schlecht. Das sind Staatsbetriebe, die dort die Umwelt verschmutzen, aber dort wird nicht angesetzt. Da müssen schnell Regeln geschaffen werden.

Das veränderte Klima macht sich auch im Skiweltcup bemerkbar. Zu warme Temperaturen haben einen Schneemangel zu Folge, Rennen müssen abgesagt werden. Ist der Skirennsport mittelfristig in Gefahr?

Dieses Thema sehe ich weniger kritisch. Durch Schneemangel gibt es heute weniger Absagen als etwa vor 30 Jahren. Neben Beschneiungsanlagen sind auch Schneedepots professioneller angelegt worden. Absagen wird es immer geben: Bei einem Schneesturm kannst du keine Abfahrt durchführen. Der Klimawandel ist aber definitiv spürbar. Ich sehe beim Wandern, wie Bäche austrocknen. Hier könnten etwa Wasserspeicherteiche in Skigebieten von Nutzen sein.

Das müssen Sie uns erklären.

Es mag vielleicht komisch klingen. Wenn es Wasserknappheit geben soll, können diese Teiche mit natürlichem Wasser helfen. Natürlich ist es ein einmaliger Eingriff in die Natur. Man benötigt auch Strom, um Kunstschnee zu produzieren. Aber danach kommt dieses Wasser mit der Schneeschmelze zurück in die Natur. Die Pisten werden heute viel besser gepflegt, da sind wir alles andere als umweltschädlich.

Sie gehen mittlerweile in Ihre 15. Saison als ORF-Experte und Co-Kommentator. Wie kam es ursprünglich zum Engagement beim Fernsehen?

Etwa zwei Monate nach meinem Karriereende spazierte ich in Schladming über den Hauptplatz, als ich einen Anruf bekam. Ich verstand kaum ein Wort, da die Verbindung so schlecht war. Angeblich meldete sich jemand vom ORF, weil Armin Assinger durch seine Millionenshow immer weniger Zeit hätte. Ob ich mir vorstellen könnte, der neue Kamerafahrer zu werden, wurde ich gefragt. Zunächst nahm ich die Anfrage gar nicht ernst, wenig später wagte ich den Sprung ins kalte Wasser - ganz ohne Medien-Ausbildung. Da war vor allem zu Beginn sicher viel Blödsinn von mir dabei, ich hoffe aber, dass es mittlerweile halbwegs passt (lacht).

Wie sieht Ihre Tätigkeit bei einem Weltcupwochenende im Detail aus?

Mein Arbeitstag beginnt verdammt früh. Ich will die Läufer nicht stören bei der Besichtigung, muss mich aber trotzdem warm fahren wie jeder andere auch. Gerne wird ja gespottet, wie oft der Knauß wohl Sessellift fährt, bei den ganzen Geschichten, die er immer erzählt. So bleibe ich hautnah am Geschehen dabei, die Athleten vertrauen mir. Ich weiß, was für das Fernsehen bestimmt ist, und welche Details ich besser nicht erzähle.

Wie bereiten Sie sich auf einen Weltcup-Winter vor?

Ich trainiere über das gesamte Jahr sehr viel. Im Winter bleibt aber nur wenig Zeit für das körperliche Training. Für die Rennen selbst bin ich sehr froh, mit Oliver Polzer und Thomas König zwei Kollegen von absoluter Weltklasse an meiner Seite zu wissen. Nach der Kamerafahrt betrete ich die Kabine, und alles sitzt. Ich bin kein großer Freund der langen Vorbereitung, ich möchte lieber aus dem Bauch heraus kommentieren, nur dann fühlt es sich richtig an.

Technisch gab es einige Fortschritte, die Kamerafahrt an sich wurde Ihnen erleichtert.

2018 bin ich das letzte Mal mit einer schweren Handkamera - ich nannte sie immer mein Bügeleisen - die Streif runtergefahren. Jetzt fühle ich mich mit zwei Stöcken deutlich sicherer. Auch wenn ich mittlerweile immer öfter gefragt werde: Ich verspüre immer größere Lust und hoffe, dass ich noch einige Jahre im Weltcup dabei bin.

Wie groß ist das ORF-Team, das von vor Ort berichtet?

Bei den Übersee-Rennen übernimmt der Rechteinhaber Infront die Produktion der TV-Bilder. Unser harter Kern umfasst sechs, sieben Leute. Das kann mitunter stressig werden, wenn technisch etwas nicht funktioniert. Wir haben aber die besten Leute im Team. Dann ist es ein wahrhaft riesiger Sprung zu Rennen in Österreich: Dort sind deutlich über 200 Menschen im Einsatz. Bei den Kitzbühel-Rennen etwa gehen die TV-Bilder ja um die ganze Welt. Da können wir Österreicher wirklich stolz sein auf dieses Programm, das der ORF da fährt.

Gab es für Sie nie die Überlegung, im ÖSV als Trainer zu arbeiten?

Ich weiß nicht, ob ich dafür geschaffen bin, vielleicht sollte ich es einmal probieren. (lacht) Ich zweifle aber, dass ich die Energie hätte, eine volle Saison auf höchstem Niveau durchzuziehen. Ich ziehe den Hut vor jedem Trainer. Meine Tochter Nella steht in den Startlöchern, mir fehlt durch meinen Job allerdings die Zeit, sie mehr zu unterstützen. Es ist aber überhaupt nicht gesagt, dass ein guter Weltcupläufer auch eine gute Figur als Trainer abgeben wird. Ich habe eine Trainerausbildung und kann Gefühle auf der Piste gut nachvollziehen und weitervermitteln. Um ÖSV-Trainer zu sein, gehört aber viel mehr dazu, auf organisatorischer und psychosozialer Ebene.

Hat die Ski-Szene ein Problem, nachdem mit Hirscher, Svindal, Vonn, Neureuther und Co. große SportlerInnen, aber auch eigene Marken verloren gegangen sind?

Es kommen gute Typen nach. Ich denke etwa an Odermatt, Pinturault, Robinson, aber auch an einige Österreicher. Die Jungen tun mir fast leid, weil man sie schnell als Stereotypen abstempelt, die sich kaum zu Wort melden. Ich sage: Geben wir ihnen die Chance, sich im Rampenlicht zu beweisen. Die werden jetzt so richtig munter und frech an die Sache herangehen.

Im ÖSV klafft vor allem im Riesenslalom eine Lücke nach dem Hirscher-Rücktritt. Wer könnte aus ÖSV-Sicht in seine Fußstapfen treten?

Einen Hirscher werden wir nicht herzaubern können. Der passiert dir irgendwann, für den kann der ÖSV auch gar nicht so viel. Der arbeitete mit seinem Vater genial zusammen, fuhr fast zehn Jahre lang alles in Grund und Boden. Es wird nicht ein Einzelner kommen, aber ich glaube an die Stärke im Team. Es gibt einige, die im Alter von 26, 27 Jahren sind, die jetzt das Zepter übernehmen müssen. Im Riesenslalom kehren etwa Leitinger und Brennsteiner von schweren Verletzungen zurück. Feller und Schwarz können diese Lücke ebenfalls schließen. Jetzt ist eine neue Zeit angebrochen, vor allem das Speed-Team schaut mich gut an.

Gibt es Außenseiter, die Sie bei den Herren im Rennen um den Gesamtweltcup mitmischen sehen?

Marco Odermatt wird in den nächsten Jahren richtig frech werden. Der junge Lucas Braathen aus Norwegen ebenfalls. Sogar ein Belgier, Sam Maes, wird immer stärker. Wir werden internationale Konkurrenz haben, und das ist nur gut für den Sport.

Zum Ende hätte ich von Ihnen noch gerne Tipps für den Gesamtweltcup.

Genau so etwas versuche ich immer zu vermeiden.

Ich nagle Sie dennoch fest: Wer gewinnt den Gesamtweltcup bei den Damen?

An einer Shiffrin wird keine vorbeikommen. Was sie technisch, aber auch mental drauf hat, ist unerreicht.

Wie sieht Ihr Tipp bei den Herren aus?

Es ist deutlich schwerer. Wenn er es schafft, in einer Disziplin zum Seriensieger zu mutieren, ist Pinturault der klare Favorit.