Wie sehr nagt das Corona-virus bereits an Ihrem Gemüt?
Bernd Wiesberger: Natürlich wäre ich lieber unterwegs und würde wie ursprünglich geplant spielen. Allerdings ist dies eine außergewöhnliche Situation, die keiner beeinflussen kann. Daher muss man einfach das Beste daraus machen und sich unter den aktuellen Bedingungen bestmöglich auf den Wiedereinstieg vorbereiten.

Welche positiven Aspekte zieht man als Topsportler aus so einer ungewöhnlichen Krise?
Als positive Erinnerung bleibt sicherlich hängen, dass die Gesellschaft in dieser schwierigen Zeit zusammengerückt ist und jeder versucht hat, seinen Beitrag zu leisten.

Haben Sie etwas Neues wie Kochen, Malen oder Musizieren für sich in dieser Zeit entdeckt?
Der Fokus lag natürlich weiterhin auf dem Golftraining und darauf, für einen Wiedereinstieg vorbereitet zu sein. Allerdings habe ich in der turnierlosen Zeit eine gewisse Begeisterung für das Radfahren entwickelt und die Umgebung mit dem Rennrad erkundet.

Nun ist es fix, Sie werden mit einigen Turnieren in den USA starten. Welche Events sind es?
Nach einer zweiwöchigen Quarantäne werde ich „The Memorial“ von Legende Jack Nicklaus erstmals spielen dürfen. Die Woche drauf bestreite ich die 3M-Open in Minnesota. Dann wartet das St. Jude Invitational, ein WGC-Turnier. Dann freue ich mich auf meine siebente Teilnahme beim PGA-Championship in San Francisco. Aber bevor es in die Staaten gehen wird, werde ich an den nationalen offenen Staatsmeisterschaften ab 18. Juni in Zell am See teilnehmen. Es passt super in mein Aufbauprogramm und ich werde meinen Coach Phil De Busschere dabei haben.

Profisportler durften in Österreich früher auf den Golfplatz zurückkehren. Was war das für ein Gefühl, dass die gesamte Anlage nur Ihnen zur Verfügung gestanden ist?
Es war ein schönes Gefühl, nach der langen Phase wieder auf die Anlage in Bad Tatzmannsdorf zurückzukehren und outdoor trainieren zu können. Wir haben versucht, die Zeit bestmöglich zu nutzen, bevor am 1. Mai für alle das Golfspielen wieder möglich war.

Fehlen Ihnen die Wettkämpfe und die Turniere?
Es ist eine sehr ungewohnte Situation, für mich aufgrund meiner Verletzung im Jahr 2018 jedoch irgendwie bekannt. Damals war das Turnierspiel für mich von heute auf morgen nicht mehr möglich. Ich sehe es daher vielleicht sogar als kleinen Vorteil, da wir uns erst kürzlich auf den Wiedereinstieg ins Turnierwesen vorbereitet haben und sicherlich viel Erfahrung mitnehmen können.

Die Zuschauer werden fehlen, ein Problem?
Natürlich spielt man lieber vor golfbegeisterten Fans, die Stimmung wird sicherlich eine andere sein. Aber die Sicherheit hat absoluten Vorrang und für uns ist es wichtig, wieder spielen zu können. Ich glaube auch, dass es für die Zuseher positiv ist, die Lieblingssportarten wieder im TV verfolgen zu können.

Ryder Cup ohne Fans, wäre das möglich?
Schwierig, der Ryder Cup lebt doch von den Fans und den damit verbundenen Emotionen. Man muss sich nur die Bilder aus Medinah oder Paris ansehen – die Stimmung vor Ort zu erleben, war etwas ganz Besonderes und ist sicherlich auch eine Belohnung für die Spieler, die es ins Team schaffen.

Kürzlich haben Sie mit Dominic Thiem gespielt und ein Charity-Turnier in Schönborn abgespult. Wie waren diese Runden für Sie?
Die Runde mit Dominic hat sich spontan ergeben – bei ihm hat man sofort gemerkt, dass er eine gute Hand-Augen-Koordination und ein gutes Ballgefühl hat. Das Charity-Turnier war auch eine tolle Abwechslung und es war super, einmal gegen unsere Topgolferinnen und Matthias Schwab anzutreten. Das Ergebnis bleibt bis zur Ausstrahlung im TV noch geheim.

Wo stehen Sie und Ihr Spiel derzeit? Welche Erwartungen haben Sie?
Ich fühle mich aktuell gut vorbereitet und freue mich auf den Start. Die Zeit in Bad Tatzmannsdorf konnte ich sehr gut nutzen und mehr Einheiten mit meinen Coaches einlegen, als unter normalen Umständen möglich gewesen wäre. Natürlich muss man sich wieder an den Rhythmus im Turniergolf gewöhnen und die Events werden anders als gewohnt ablaufen. Ich bin aber guter Dinge, will versuchen, mir Chancen zu erarbeiten, und bin überzeugt, dies auch bei den Turnieren in Amerika machen zu können.

Wie sehen Sie die Zukunft des Profi-Golfsports und speziell der stark gebeutelten European Tour?
Das Jahr stellt den Profisport vor eine schwierige Aufgabe. Die obersten beiden Touren beginnen nun langsam wieder mit Events, auf den unteren Ebenen schweben die Spieler allerdings in Ungewissheit. Ich hoffe, dass sich auch hier bald Lösungen finden lassen und der Turnierbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Da die Events der European Tour auf der ganzen Welt ausgetragen werden, ist es sicherlich schwieriger zu planen als auf der PGA Tour. Der Kalender wurde jedoch komplett überarbeitet und die Finalserie nach hinten verschoben. Nun gilt es zu hoffen, dass die Maßnahmen in den einzelnen Ländern gut umgesetzt werden und sich die aktuelle Lage weltweit schnell verbessert. Dabei geht es aber um viel mehr als nur den Golfsport.