An Launen der Natur mangelt es dieser Tage keineswegs im Nationalteam-Camp auf Zypern. Nach den Erdbeben vom Mittwoch zog am Donnerstag ausgerechnet während des ÖFB-Trainings eine Unwetterfront mit Gewitter und Starkregen über die Region um Paphos, verfehlte das rot-weiß-rote Luxusareal jedoch knapp. Mit Ralf Rangnick legt sich scheinbar nicht einmal der Wettergott an. So konnte der Teamchef seine Mannschaft ungestört auf das samstägige Gastspiel bei der Auswahl der Mittelmeerinsel vorbereiten.

Über das große Ziel muss man nicht lange diskutieren. Ein Sieg würde Österreich noch lauter an die WM-Tür klopfen lassen. „Wir wollen eigentlich so wie eine Heimmannschaft auftreten“, kündigt Nicolas Seiwald an – wohlwissend, dass ein Kontrahent wartet, der Rot-Weiß-Rot schon beim knappen 1:0-Sieg in Linz das Leben schwer gemacht hat. „Zu Hause pressen sie noch früher als auswärts. Wir erwarten eine Mannschaft, die auch im Ballbesitz etwas kann und richtig gut spielt, wenn man ihnen Räume lässt. Also müssen wir unser Pressing auf den Platz bringen, um genau das zu vermeiden“, weiß Seiwald, der von einem Gegner mit Mentalität spricht, der auch dann noch um einen Punkt kämpft, wenn es vermeintlich schon vorbei ist.

Die Manöverkritik des Teamchefs

So knöpfte Zypern vor eigenem Publikum beiden ÖFB-Kontrahenten Bosnien-Herzegowina und Rumänien nach 0:2-Rückstand noch jeweils mit einem 2:2-Remis Zähler ab. Ein spätes Gegentor wiederum kostete Österreich zuletzt einen Punkt in Rumänien. Das Verhalten vor dem 0:1 bezeichnete Rangnick noch in Bukarest als „deppert“. Im konkreten Fall wäre es cleverer gewesen, das Remis mitzunehmen und nicht weiter auf Sieg zu spielen. Die Teamspieler zeigen sich einsichtig bezüglich dieser Manöverkritik, wobei es grundsätzlich keine schlechte Eigenschaft ist, auch in der letzten Sekunde noch drei Punkte einsacken zu wollen.

Die Nachspielzeit in Bukarest wurde jedenfalls im Rahmen dieses Trainingslagers aufgearbeitet. „Einerseits spricht es ja für uns und unsere DNA. Dass wir Spiele gewinnen wollen, ist genau das, was wir vorleben wollen“, betont Christoph Baumgartner, „andererseits hat der Teamchef in dieser Situation schon recht.“ Rumänien sei so passiv gewesen, dass man als Fußballer „natürlich auf Sieg spielt“, findet Patrick Wimmer, „aber in Rumänien wäre der Punkt besser für uns gewesen.“

Was also tun, wenn es am Samstag in Limassol kurz vor Schluss Unentschieden stehen sollte? Das zweite Gruppenduell zwischen Bosnien und Rumänien wird erst danach angepfiffen, bietet also keine Orientierungshilfe. Für Baumgartner ist es ein schmaler Grat. „Ziel ist definitiv, das Spiel zu gewinnen, das steht außer Frage. Wenn es die Situation anders hergibt, muss es der Trainer entscheiden und in die Mannschaft transportieren“, sagt Baumgartner, hält dies im konkreten Fall jedoch für eine schwierige Teamchef-Aufgabe: „Grundsätzlich ist er ja genauso wie wir ein Typ, der jedes Spiel gewinnen will.“ Auch für Wimmer ist es eine gute Frage. Der Wolfsburg-Legionär glaubt jedoch: „Zu viel Risiko sollten wir nicht gehen, damit wir das Spiel nicht noch verlieren könnten.. Ein Punkt wäre dann schon gut, aber drei natürlich umso besser.“

Warum kein Blitzstart mehr?

Genau wie man über Tore in der 90. Minute oder danach philosophieren kann, gilt dies auch für jene in der Anfangsphase des Spiels. War es 2024 noch eine Stärke des Nationalteams, dass früh der Blitz im gegnerischen Tor einschlägt, gelang dies 2025 lediglich gegen San Marino. „Wir haben die Gegner überrumpelt in den ersten Minuten, sie waren mit unserem Pressing überfordert. Inzwischen versuchen sie, am Anfang nicht mehr so viel Risiko zu nehmen“, erkennt Seiwald. Bereits nach sieben Sekunden zu netzen, wie Baumgartner gegen die Slowakei, bleibt ohnehin ein seltenes Kunststück.  „Die anderen Mannschaften wissen auch, wie wir spielen. Aber wir werden es weiter versuchen“, verspricht der Weltrekordler.