Präsidentschafts-Wahlen sorgen immer für Nervenkitzel. Insbesondere, wenn die Fronten verhärtet und gegeneinander ausgerichtet sind. Das höchste ÖEHV-Amt hat in den vergangenen 20 Jahren jedoch an Attraktivität und Einfluss eingebüßt. Früher galt eine mögliche Abwahl als utopisch. Das ist jetzt anders.Amtsinhaber Gernot Mittendorfer muss nach nur einer Amtsperiode (seit Mai 2016) zittern. Die Herausforderer um Klaus Hartmann formieren sich bereits seit etwa November 2019. Als heimlicher Strippenzieher fungiert Michael Herzog-Löschnig (Steindorf-Obmann, Sportkoordinator des Kärntner Eishockey Verbandes). Der Initiator der Gegenbewegung hat es sich zum Ziel gesetzt, den gesamten ÖEHV völlig umzukrempeln. Zumindest wenn man dem geheimen, Konzept "ÖEHV neu 2020+" Glauben schenken darf, das der Kleinen Zeitung vorliegt.

Das Anforderungsprofil für einen ÖEHV-Präsidenten? Grundsätzlich soll das Amt das österreichische Eishockey repräsentieren, Österreich im internationalen Verband (IIHF) vertreten. Nach Innen hat sich das Ansehen des Amtes reduziert, seit sich die Liga abgespalten hat. Ein eishockey-spezifischer Hintergrund ist nicht zwingend erforderlich, Leidenschaft für den Sport hingegen schon. Noch wichtiger wäre es, auf dem Wiener Parkett trittsicher unterwegs bzw. in die Wirtschaft ebenso vernetzt zu sein wie mit Spitzenfunktionären der österreichischen Sportwelt. Ein unabdingbarer Faktor: Diplomatie und Verhandlungsgeschick (ab Herbst gilt es, einen neuen, vielleicht sogar richtungsweisenden Kooperationsvertrag mit der Eishockey-Liga auszuhandeln).

Mit dem Abschied von Erste Bank und ServusTV/Red Bull regte sich erster Widerstand (Initiative von Andreas Ösze ist nun Unterstützer von Team Hartmann und erhofft sich einen Platz im Präsidium). Während sich die Liga sofort um alternative Geldgeber bemühte, herrscht diesbezüglich beim ÖEHV Stillstand. Eigentlich das Kerngeschäft eines ÖEHV-Präsidenten.

Mittendorfer sah keine Gefahr

Zu den Kandidaten: Amtsinhaber Mittendorfer war via Liga und Austrian Hockey Board im Verband installiert worden. Der 55-jährige Oberösterreicher verwaltete die ÖEHV-Zuschüsse seines damaligen Dienstgebers "Erste Bank", verfügt nach wie vor über wichtige Kontakte zu Red Bull. Aufgrund dieser Naheverhältnisse blieb wohl auch die große, aber vielleicht unbequeme Eishockey-Reform aus. Die Definition sowie Positionierung des ÖEHV verhielt sich, ausgenommen Nationalteams, schwammig. Mittendorfer trat zeitweise eher als Fan denn als Präsident in Erscheinung. Er hielt eisern an den Strukturen und dem gewohnten Team fest. Frischer Wind, innovative Ideen fehlten. So richtig Wahlkampf-Stimmung kam nie auf. Mittendorfer rechnete wohl die vergangenen Monate fix mit seiner Wiederwahl. Erst kurz vor der Wahl setzt(e) Nervosität ein.

Ausgelöst zwar nicht direkt von seinem Gegner Klaus Hartmann, sehr wohl aber dem Team dahinter. Schließlich wurde der Villacher erst in letzter Sekunde präsentiert, nach der Absage von Philipp Hofer. Der aktuelle ÖEHV-Vizepräsident, STEHV-Präsident und Mitstreiter Mittendorfers hätte mit Ex-Profi Matthias Trattnig (Sportdirektor) ein Gespann bilden sollen. Vorausgeschickt werden sollten sie von Herzog-Löschnig. Der wollte seinen Coup von der Präsidenten-Wahl 2017 beim KEHV in Kärnten wiederholen, nach demselben Muster. Damals wurde VSV-Legende Herbert Hohenberger als Zugpferd ins Rennen geschickt. Zurück zu Hartmann: Er erweist sich außerhalb Kärntens als völlig unbekannt, verfügt über wenig Reputation bei Klub-Vertretern, und sollte objektiv betrachtet im 1:1 für Mittendorfer keine Hürde darstellen. Der Villacher könnte sich also in der Bewegung "ÖEHV neu 2020+" als Soll-Bruchstelle erweisen. Und vielleicht ist manchen die Kandidatur allgemein "zu kärntnerisch": Drei von vier Team-Mitgliedern stammen aus Österreichs Süden (Hartmann, Yasmin Stepina und Günther Ropatsch).

Hartmanns Team "kurbelte"

Im Gegensatz zu Mittendorfer hat die Gegenbewegung allerdings Lobbyismus betrieben. Lediglich die Steiermark, Oberösterreich, Tirol dürften für Mittendorfer stimmen. Neben Kärnten sind Wien, Niederösterreich und Salzburg und zum Teil auch Vorarlberg auf Hartmann getrimmt. Zusätzlich jedoch Österreichs Damen- sowie das Para-Eishockey. Insgesamt sind 255 Stimmen zu vergeben. Jeder Landesverband und jeder Klub ist stimmberechtigt. Liga-Klubs wie KAC, VSV oder Graz verfügen über je 5 Stimmen, wie auch jeder einzelne Verein der höchsten Damen-Spielklasse.

Stimmberechtigt sind alle Vereine, die ihren ÖEHV-Mitgliedsbeitrag bereits beglichen haben. Pikant: Mehrere Quellen behaupten, dass sich Team Hartmann für eine Stimme großzügig zeige. So sollen Vereinen, bei denen die Verbandsgebühr noch offen ist, angeboten worden sein, diese (leihweise) zu begleichen.

Völlig unterschiedliche Konzepte

Die Kernaussagen der jeweiligen Konzepte? Der Agenda von "Team Hartmann" ist ihre Abneigung gegenüber Sportdirektor und Teamchef Roger Bader zu entnehmen. Darauf scheint auch die gesamte Bewerbung zu basieren. Es wird eine strikte personelle Trennung der Ämter Teamchef und Sportdirektor gefordert, obwohl die Variante der Personalunion um etwa 50.000 Euro günstiger ist, als das alte System (Teilzeit-Teamchef und Vollzeit-Sportdirektor). Wichtig erscheint jedoch, einen Sportbeirat aus Experten zu installieren (möglicherweise Gregor Baumgartner, Dieter Kalt jun. etc)..Allerdings läuft der Vertrag des Schweizers Bader (der für Verschmälerung und Professionalisierung der Strukturen stand) bis zur Olympia-Qualifikation, und bei möglichem Erfolg dort oder im Fall des WM-Aufstieg sogar darüber hinaus.

Zudem soll lt. "ÖEHV neu 2020+" die Verbandsstruktur auf sechs Vize-Präsidenten sowie mit zahlreichen Kommissionen ausgeweitet sowie die Geschäftsstelle umgekrempelt werden. Das Programm von Hartmann, Löschnig, Martin Kogler & Co. beibt vage, oberflächlich und zeugt von wenig Einblick. Und das Wichtigste: Wie der neue und zumindest dem Papier nach noch umfangreichere Apparat finanziert werden soll, darauf geben die Verantwortlichen keine Antwort.

Fliegender Wechsel: Mittendorfer verweist inhaltlich auf die sportliche Neuausrichtung, die unter seiner Ägide bzw. mithilfe von Bader erfolgt ist. Dem Verband kann in puncto sportlicher Professionalisierung nicht viel vorgeworfen werden. Man hat sich der Schweiz und Deutschland trotz geringeren Budgets genähert. Und als wesentlicher Maßstab für die Verbesserung des Systems erweist sich, dass die Bereitschaft von Team-Spielern, ins Nationalteam einzurücken, deutlich gestiegen ist, die Resonanz (unabhängig von WM-Schicksalen) stets positiv war.

Außerdem wurden wichtige Projekte initiiert, (Torhüter-)Trainerausbildungen forciert, Vorbereitungsturniere organisiert und regionale Entwicklungstrainer implementiert. Letzteres dürfte einige Landesverbände jedoch, wie etwa den KEHV, verprellt haben. Bader entschied quasi im Alleingang und nach Qualifikation, nicht aufgrund von Wünschen aus den Ländern. Ein gar nicht so unwesentliches Ziel hat sich Mittendorfer für die möglicherweise nächste Amtsperiode gesteckt: Die Ausbildungskosten-Entschädigung muss reformiert werden - in Anlehnung an das Schweizer System und wohl auch an das Fünf-Sterne-Programm Deutschlands (DEB).

Die großen Themen nicht behandelt

Dennoch bleiben auch hier mehr Fragen offen, als Antworten geliefert werden. Wie kann der ÖEHV zukünftig einen nachhaltigen Beitrag für die Liga-Kooperation leisten? Wie will es der Verband schaffen, einen infrastrukturellen Ausbau von Kunsteisflächen in Zeiten von Klimaerwärmung voranzutreiben? Wie kann generell das Eishockey-System auf völlig neue Beine gestellt werden - auch in der öffentlichen Wahrnehmung? Und: Werden die Nachwuchs-Ligen endlich einen regionalen Anker erfahren, anstatt Schulpflichtige teuer für sportliche Wertlosigkeit quer durch Österreich zu kutschieren? Von einem inhaltlichen und detailliert durchdachten Plan (Beispiel "Fünf-Sterne-Programm") ganz zu schweigen. Klar ist nur eines: Zumindest die oberflächliche Frage nach dem ÖEHV-Präsidenten wird ab Samstag für vier Jahre nicht mehr gestellt werden müssen.