Im SPÖ-Präsidium rauchen in diesen Minuten die Köpfe. Bei der Sitzung im Wiener Parlament sollen die Details zur bevorstehenden Mitgliederbefragung fixieren werden - und eine Antwort auf die Frage gefunden werden, ob neben Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner und Herausforderer Hans Peter Doskozil über weitere Kandidaten und Kandidatinnen abgestimmt werden soll. 24 Stunden vor Beginn der Sitzung hatte überraschend ein weiterer Kandidat seinen Hut in den Ring geworfen. Nikolaus Kowall, der frühere Leiter der widerspenstigen Wiener Ortsgruppe "Sektion 8", gab seine Kandidatur für die Befragung der roten Genossinnen und Genossen bekannt.

Ein Schritt, der nicht nur weitere Unruhe in die Partei brachte, sondern auch die Frage aufgeworfenen hatte, ob weitere Kandidaten überhaupt zugelassen werden sollen. Vor Beginn des Parteipräsidiums zeichnete sich am Mittwoch ab, dass man diesen Weg frei machen dürfte. Offen war nur, wie viel Unterstützung man mitbringen muss, um sich dem Mitglieder-Votum stellen zu können. Zahlreiche Funktionäre wie die Vorarlberger Landeschefin Gabriele Sprickler-Falschlunger, der oberösterreichische Landesvorsitzende Michale Lindner und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian zeigten sich durchaus interessiert an einem erweiterten Kandidatenfeld. Die meisten der ankommenden Präsidiumsmitglieder wollten sich inhaltlich gar nicht äußern oder drückten Missstimmung gegenüber der Gesamtsituation aus. Nicht anwesend sind Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der Salzburger Landeschef David Egger sowie der steirische Vorsitzende Anton Lang.

Weitreichende Folgen für die Zukunft

"Natürlich muss sich der Ablauf der Befragung innerhalb der Parteistatuten bewegen, sonst wird das Ganze anfechtbar", erklärt Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik gegenüber der Kleinen Zeitung. "Die Entscheidung, ob man die Regeln hier liberaler oder restriktiver auslegt, wird aber zum Lackmustest: Beginnt hier eine neue Form der innerparteilichen Entscheidung für die SPÖ oder wird das schlicht eine nicht optimale Einzelfalllösung."

Laut Ennser-Jedenastik würde der internationale Trend dabei durchaus in Richtung Mitgliederentscheid bei der Wahl des Parteivorsitzes gehen. Seit den 1970ern sei hier eine starke Steigerung zu erkennen. Das liege laut dem Politikwissenschaftler vor allem an neuen Parteien, die diese Form der Mitgliederbestimmung von Beginn an einführen. "Grundsätzlich tendieren Parteistrukturen über längere Zeit dazu, dem Gesetz der Oligarchie zu folgen – Entscheidungen werden von oben nach unten getroffen", erklärt er. Die Mitgliederbefragung könne man also als Ermächtigung der Basis sehen – oder als Entmachtung der mittleren Funktionärsschicht, womit man wiederum jene an der Spitze zusätzlich stärkt.

Erfahrung mit Basismitbestimmung haben in Österreich bislang nur die Neos. Doch auch die steirische Landes-SPÖ plant bereits, ihre Mitglieder darüber entscheiden zu lassen, wer für die Partei in die Landtagswahl im kommenden Jahr ziehen wird. Darauf, dass dieses Modell auch in der Bundespartei Schule machen könnte, hofft auch Kowall. "Mit meiner Kandidatur zwinge ich sie, die Köpfe rauchen zu lassen", sagte er der Kleinen Zeitung.

Trend zur Mitgliederbefragung

Laut Ennser-Jedenastik zeichne sich im internationalen Trend zur Mitgliederbefragung jedoch auch ein zweites Phänomen ab: "Die offen ausgetragene Konkurrenz und die größere Kandidatenauswahl sorgen auch dafür, dass die gewählten Personen an der Spitze deutlich kürzer dort sind – bevor sie selbst wieder abgewählt werden."

Doch nicht nur die Kandidatenfrage dürfte die besagten Köpfe im SPÖ-Präsidium rauchen lassen, sondern auch die Frage, wann, wie lange und in welcher Form die Befragung stattfinden soll und wer über den künftigen Parteivorsitz abstimmen darf. Hier dürfte es einen Stichtag brauchen, um auszuschließen, dass extra für die Abstimmung eingetretene Mitglieder das Wahlergebnis verzerren oder manipulieren. Betreffend des Zeitplanes muss zudem ein möglicher Einfluss auf die bevorstehende Landtagswahl in Salzburg Ende April berücksichtigt werden. Laut Bundespartei sollen all diese Fragen bei der Präsidiumssitzung geklärt werden. Neokandidat Kowall wird daran übrigens nicht teilnehmen.

Im Vorfeld der Beratungen sprach sich Präsidiumsmitglied Franz Schnabl im Ö-1-"Morgenjournal" dafür aus, weitere Kandidaten zuzulassen, solange diese gewisse Voraussetzungen erfüllen. Dabei könnte es sich etwa die Unterstützung von fünf Prozent der Mitglieder oder die Empfehlung von Teilorganisationen handeln. Dem Vernehmen nach sollen neben Kowall nämlich auch "einfache Parteimitglieder" avisiert haben, ebenfalls kandidieren zu wollen.