"Sorge dich nicht, lebe!" Das Motto, das als Inschrift an der pittoresken Almkapelle im hinteren Kaunertal prangt, könnte auch für Alexander Van der Bellen gelten. Der Bundespräsident, der hier nur "als Kandidat" auftritt, ist schon zeitig am Morgen hochgestiegen zur Verpeilalm in 2015 Metern Seehöhe. Mit weißem Hemd und langer Hose trotzt er der Berghitze, denn es geht um gute Bilder. Zahlreiche Fotografen sind im Schlepptau, eine Drohne filmt von oben. Und einen besonders idyllischen Holzsteg muss er mit Ehefrau Doris und Hündin Juli gleich viermal queren, bis alles im Kasten ist. Bei einer Rauchpause zückt er sogar einen mobilen Aschenbecher. Alles politisch sauber.

Oben auf der Alm gibt Van der Bellen pünktlich zu den Mittagsglocken die "Österreich-Erklärung aus dem Kaunertal" ab, und Tourismusobmann Dietmar Walser ist glücklich: Die Sonne scheint, die Kuhglocken läuten, die Musikgruppe "Huangartler" spielt zünftig auf.

Aber ganz sorgenfrei ist der "Kandidat" nicht. In seiner Erklärung schwärmt er zwar zunächst von der Schönheit der Tiroler Berge, erinnert sich, als Kind auf dem satten Almboden oft barfuß gelaufen zu sein. In den Bergen finde er "Ruhe und innere Klarheit", bekomme einen anderen Blick auf Dinge.

Aber zu diesen Dingen zählen auch Themen, die man "nicht im Tal unten lassen" könne, etwa die Klimakrise oder Putins Angriffskrieg. "Wir müssen widerstehen und widersprechen, wir müssen zu unserer Wahrheit stehen", sagt Van der Bellen. Das gelte "auch und gerade, wenn es einen Preis hat".

Die Forderung, die Russland-Sanktionen aufzuheben, und zu glauben, dann wäre alles wieder billig – das stimme einfach nicht. "Ein Politiker muss führen, nicht verführen", sagt der Präsident mehrmals in dem 20-minütigen Auftritt, für den seine Helfer eigens ein Rednerpult in Rot-Weiß-Rot in die Almweide gepflanzt haben. Der 78-Jährige, der noch in der Vorwoche bei einer Tour am Kaunergrat stolperte und leicht blessiert ins Spital musste, will hier auch zeigen, dass er fit ist für weitere sechs Jahre im höchsten Amt. Dem Ansturm der Konkurrenten setze er "Erfahrung, Wissen, Kraft" entgegen.

Nötig sei jetzt eine ruhige und seriöse Politik, gemacht von integren Menschen, die dem Land dienen. Das kann man als Leviten für die Bundesregierung lesen, zumal Van der Bellen deren Kommunikation in der Teuerungskrise für "verbesserungsfähig" hält. Jüngste Äußerungen von Innenminister Gerhard Karner zu den Abschiebungen kritisiert er deutlich: Es seien "sehr unglückliche Formulierungen" gefallen.

Mit der Forderung nach Seriosität preist der Amtsinhaber sich zugleich als Kandidat an. Denn – und da zitiert er offenbar Angela Merkel: "Sie kennen mich." Er verspreche, das Land auch in den nächsten Jahren "im besten Sinne zu führen". Ob er etwas anders machen will als bisher? Da bleibt er vage: "Ich weiß jetzt viel mehr, was das Amt zulässt und erfordert." Die Zukunft malt Van der Bellen nur grobkörnig: Man werde "die Herausforderungen meistern". Die Journalisten sollten "die Signale der Hoffnung" sehen. Aber welche Signale das sind, sagt er nicht.
Er selbst habe in dem Amt seine "Bestimmung gefunden", meint er und zieht die Formel dann wieder zurück. Sie scheint ihm zu heroisch, vielleicht auch zu dick aufgetragen. Später kommt ein kunstvoll gedrechselter und gewundener Satz: In den Wahlkampf gehe er "mit einer Mischung aus Hochachtung vor dem Amt und einem guten Gefühl meiner Fähigkeiten".