Ein 33-jähriger Marokkaner stellt im Juli 2020 einen Asylantrag. In seiner Einvernahme gibt er an, aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage in seinem Land in Österreich leben zu wollen. 62 Stunden später hält er einen negativen Asylbescheid in Händen.

Seit Sommer letzten Jahres setzt das Innenministerium auf solche Schnellverfahren. Anträge jener, die aus einem laut einer definierten Liste von als sicher eingestuften Ländern kommen und keine persönliche Verfolgung glaubhaft machen, können binnen 72 Stunden entschieden werden.

Nehammer: "Schnell negative Bescheide"

Möglich ist das, weil die Personen schon bei ihrer Erstbefragung in Polizeistation oder Anhaltezentrum zu Identität, Fluchtgründen und Reiseroute befragt werden. „Diese Verfahren geben uns die Möglichkeit, rasch zwischen Schutz- und Nichtschutzbedürftigen zu unterscheiden und schnell negative Bescheide auszustellen“, sagt ÖVP-Innenminister Karl Nehammer. 411 dieser Verfahren wurden bisher geführt, nun soll aus dem Testbetrieb gängige Praxis werden.

„Normale“ Asylverfahren dauern aktuell durchschnittlich dreieinhalb Monate. Die Möglichkeit eines „Fast Track“ (Schnellspur) Verfahrens gibt es dabei schon jetzt. Auch sie sind für Antragsteller aus sicheren Herkunftsländern vorgesehen. Wer zudem in der europäischen Asyl-Datenbank „Eurodac“ aufscheint, weil er bereits einen Antrag in einem anderen Land gestellt hat, wird meist ebenfalls im „Fast Track“ behandelt. 22 Tage dauert ein solches Verfahren im Durchschnitt. Nun soll es noch schneller gehen.

"Qualität muss gewahrt bleiben"

„Gegen Schnellverfahren ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn die Qualität gewahrt bleibt“, sagt Asylanwalt Wilfried Embacher. „Es muss sichergestellt werden, dass der Fall eines Betroffenen, der am Ende doch Bleiberecht erhalten könnte, aus dem Schnellverfahren genommen und gewissenhaft geprüft wird.“ Auch Schnell-Bescheide können beeinsprucht werden, 27 davon hat das Bundesverwaltungsgericht in den letzten sechs Monaten in zweiter Instanz bestätigt.

Dass die mit Abstand größte Gruppe der Antragsteller (56 Prozent) aus Marokko kommt, offenbart jedoch ein altbekanntes Problem – ein negativer Asylbescheid allein bedeutet nicht, dass der Betroffenen das Land verlassen muss. Marokko gilt seit Jahren als sicheres Herkunftsland, Asylanträge sind beinahe aussichtslos. Reist der genannte 33-jährige Marokkaner aber nicht freiwillig aus, hat Österreich kaum Möglichkeiten, ihn außer Landes zu bringen.

Denn aktuell gibt es kein Rückführabkommen mit dem nordafrikanischen Land, das abtrünnig gewordene Bürger nur ungern zurücknimmt, und dementsprechend selten dafür nötigte Rückreisepapiere ausstellt. Das bestätigt auch Anwalt Embacher: „Schnelle Verfahren klingen zwar gut. Aber wenn die Außerlandesbringungen nicht funktionieren, wird sich wenig ändern.“