Eigentlich sollte es nicht Dominik Nepp sein, der an diesem sonnigen Nachmittag als Spitzenkandidat der FPÖ über den leeren Rathausplatz zum vereinbarten Treffpunkt schlendert – sondern Heinz-Christian Strache. Doch dessen flüssiger Abend auf Ibiza und üppige Spesenzahlungen haben dafür gesorgt, dass nicht er, sondern Nepp die Freiheitlichen in diese Wien-Wahl führt. Und damit ins sichere Verderben.

Denn Skandale und Parteiobmann-Ausschluss lassen die FPÖ Wien auf eine herbe Wahlniederlage zusteuern. Nepp zeigt sich von den Umfragen nicht beeindruckt. Er glaube an die „freiheitliche Familie“.

Woran er nicht glaubt, ist die „von der Regierung propagierte Coronapanik“, wie er sagt. Dennoch setzt er eine Maske auf, als er wenig später den Waggon der Straßenbahnlinie D betritt, die uns in ein Lokal im Schweizer Garten bringt. „Hier agiert die Regierung nicht mit Vernunft und Hausverstand, sondern mit bewusster Angst- und Panikmache.“ Bei der Nachfrage, ob seine Partei mit ihrem plakativen Schüren der Angst vor Ausländern nicht genau gleich agiert, winkt er ab.

Dabei handle es sich um ein reales Problem, das sich mit einer Fahrt in der U-Bahnlinie 6 leicht veranschaulichen lasse. „Früher hat es bei Jules Verne ,In 80 Tagen um die Welt‘ geheißen. Heute muss man sich nur einen Fahrschein für die U6 kaufen, um in acht Minuten von Afghanistan über Syrien bis nach Marrakesch zu kommen.“ Die Strecke zeige, dass in Wien „vieles im Argen liegt“.

Störaktion in der Bim

Dass sich Nepp mit Aussagen wie diesen nicht nur Freunde macht, zeigt sich, während die Straßenbahn über den Ring schrammelt. Ein Mann beginnt zwei Reihen hinter Nepp ein offensichtlich fiktives Telefonat mit lautstarken verbalen Angriffen auf die FPÖ. Ihr Spitzenkandidat zeigt sich zuerst gelassen, als der Mann aber auch nach Bitte um Ruhe nicht aufhört, ist Nepp verärgert. „Geistige Nackerpatzl gibt’s überall“, sagt er kopfschüttelnd.

Nepp im Gespräch mit Innenpolitik-Redakteurin Traar in der Straßenbahn D
Nepp im Gespräch mit Innenpolitik-Redakteurin Traar in der Straßenbahn D © Ballguide/Christoph Kleinsasser

Dass Nepp überhaupt erkannt wird, ist nicht selbstverständlich. Denn vor einem halben Jahr haben nicht allzu viele Einwohner der Bundeshauptstadt sein Gesicht gekannt. Dabei war der Aufstieg des gebürtigen Wieners in der FPÖ ein steiler. Er engagiert sich bereits früh beim Ring Freiheitlicher Jugend, wird Chef der FPÖ im noblen Bezirk Döbling und später blauer Vizebürgermeister von Wien. In der Partei gilt Nepp, der dank Familienbetrieb auch als Unternehmer tätig ist, als umgänglich und zielstrebig. Einige Parteifreunde attestieren ihm jedoch auch ein übersteigertes Selbstbewusstsein.

"Politischer Suizid"

Seine Freundschaft zu Strache ist für immer zerbrochen, beteuert Nepp nach Ankunft im Gastgarten. Dieser habe die Partei getäuscht und betrogen. Eine Wiedervereinigung zwischen dem Team Strache und der FPÖ – ganz nach BZÖ-Vorbild – schließt Nepp aus. Und er gibt ein überraschendes Versprechen ab: „Bevor es zu einer solchen Wiedervereinigung kommt, würde ich aus Anstands- und Sauberkeitsgründen aus der Politik ausscheiden.“ Die bereits aus den blauen Reihen zu Strache Übergelaufenen haben laut Nepp „politischen Suizid“ begangen.

Strache und Gudenus waren früher enge Freunde von Nepp.
Strache und Gudenus waren früher enge Freunde von Nepp. © APA/HANS PUNZ

Bei seinem Leibthema Integration werden Nepps Aussagen deftig. Neben Klagen über „Scharia-Gesetze“ und bewaffnete Milizen, die in manchen Bezirken herrschen würden, sind auch ungewöhnliche Angriffe auf politische Mitbewerber dabei. So bezeichnet Nepp Kanzler Kurz und Finanzminister Blümel als Ermöglicher der „Willkommenskultur 2015“. Wie würde der Vater zweier Töchter reagieren, wenn diese eine Freundin mit Kopftuch mit nach Hause bringen? „Ich glaube, dass die Kinder selbst eine Debatte darüber starten würden und spüren, dass etwas nicht der Norm entspricht.“

Wer sich integriert, die Sprache lernt und irgendwann die Staatsbürgerschaft erlangt, „der ist hingegen ein echter Österreicher – auch für mich“. Für diese Menschen wolle er „Schutzpatron“ vor ungeregelter, neuer Zuwanderung sein, sagt er und grinst dabei.