Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigt an, die Bundesregierung am Dienstag, 11 Uhr 30, des Amtes zu entheben Er wird aber die Regierung gleichzeitig mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betrauen - wie berichtet unter Führung von Finanzminister Hartwig Löger. Er wird für wenige Tage, "eine Art Provisorium", als Bundeskanzler eingesetzt - bis die neue Übergangsregierung steht; geht es nach Van der Bellen, soll es schon Ende der Woche so weit sein.

"Alsdann, liebe Österreicherinnen und Österreicher: Das ist keine alltägliche Situation, aber im Grunde genommen etwas ganz Normales", sagt Van der Bellen - und beruft sich abermals auf die Eleganz der österreichischen Verfassung, die das Land durch diese außergewöhnliche, aber im demokratischen Prozess vorgesehene, Situation leiten werde.

Der Ansprache des Bundespräsidenten waren Termine mit allen Klubchefs vorangegangen. Der scheidende Kanzler Sebastian Kurz trifft den Bundespräsidenten heute nicht mehr. In den Gesprächen mit den Parteichefs sei bereits auch über Namen für die Übergangsregierung gesprochen worden, die Van der Bellen - mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Gespräche - aber derzeit noch nicht nennen will. Im ORF-"Report"

Das Ziel sei aber, eine Regierung bis zur Bildung einer neuen nach der Nationalratswahl im September zu formen, die kein neuerliches Misstrauensvotum fürchten müsste.

Kurz und den übrigen Ministern wurde mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und "Jetzt" das Misstrauen ausgesprochen, sie werden in der Folge vom Bundespräsidenten ihres Amtes enthoben. Über den Antrag der Liste "Jetzt", nur Kurz das Misstrauen auszusprechen, wurde gar nicht mehr abgestimmt.

Das "türkis-blaue Projekt Ballhausplatz" ist damit vorerst gestoppt.

Unterdessen treffen weitere Vorzugsstimmen-Ergebnisse ein. Größte Überraschung: Heinz-Christian Strache, der symbolisch auf dem letzten Platz der FPÖ-Liste kandidiert hatte, steht ein Mandat in Brüssel zu - ob er es annimmt, ist offen. In der Steiermark lag er beispielsweise vor SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder.

Othmar Karas, Spitzenkandidat der ÖVP, dürfte dagegen nur auf dem dritten Platz der schwarzen Liste liegen.

Der historische Parlamentstag zum Nachlesen

SPÖ und FPÖ hatten sich bereits am Vormittag festgelegt, die Anträge anzunehmen. Was passiert, sobald der Misstrauensantrag angenommen wird, lesen Sie hier.

Die Neuwahl kann kommen. Die Parlamentsparteien haben bei der Sondersitzung des Nationalrats einen entsprechenden Antrag eingebracht, dass die Legislaturperiode vorzeitig beendet wird und ein vorgezogener Urnengang im September stattfinden soll. Der entsprechende Antrag wird nun dem zuständigen Verfassungsausschuss zugewiesen und übernächste Woche im Nationalrat abgestimmt.

Ein genauer Termin für den Urnengang steht noch nicht fest. Diesen legen normal Regierung und Hauptausschuss fest.

16:18 Uhr: Kurz ist Geschichte

Der Misstrauensantrag gegen das gesamte Kabinett Kurz wurde angenommen, mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Liste "Jetzt". Über den ursprünglichen Antrag der Liste "Jetzt" musste nicht mehr abgestimmt werden.

15:45 Dönmez stützt Kurz

"Es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, Freunden und Weggefährten in den Rücken zu fallen, auch wenn ich bei der ersten Gelegenheit wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen worden bin".

15:19 Pilz vergleicht Kurz mit Karl-Heinz Grasser

Immerhin: Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser sei es nur em Geld gegangen, mutmaßt Jetzt-Gründer Peter Pilz - Kurz dagegen gehe es nur um Machterhalt.

14:45 Hofer: "Beliebte Koalition ist zu schnell und zu leichtfertig zu Ende gegangen"

Der neue FPÖ-Parteichef und ehemalige Infrastrukturminister Norbert Hofer singt abermals das Hohelied der gerade zu Ende gegangenen Koalition. Und klingt so gar nicht nach einer entschlossenen Misstrauensbekundung, wenn er sagt "Eine Expertenregierung ist eine Regierung aus Experten und nicht aus Menschen, die von ihrem Fach nichts verstehen".

14:20 Meinl-Reisinger geißelt "Kultur der Freunderlwirtschaft"

"Macht macht anfällig für Machtmissbrauch", sagt Neos-Chefin BeateMeinl-Reisinger. Die türkis-blaue Bundesregierung sei gescheitert daran, zwar "viele Luftblasen" produziert, aber nicht ausreichend Sauberkeit geschaffen habe. "Ich erwarte die nächsten Monate eine reine Verwaltungsregierung", sagt Meinl-Reisinger - und ruft auch die Abgeordneten auf, sich im "freien Spiel der Kräfte" zu mäßigen.

14:10 Kickl droht mit neuen Enthüllungen

"Wir werden sehen, was in den nächsten Monaten noch ans Tageslicht kommen wird", deutet Kickl an - und zeichnet ein Bild von der "alten ÖVP", die mit allen Mitteln das Innenministerium zurück haben wollte. "Dieser Griff nach der Macht ist widerlich", so Kickl.

14:05: Kickl will für "Stabilität und Sauberkeit" sorgen

"Wir haben unseren Teil der Vereinbarung eingehalten, Herr Bundeskanzler" sagt EX-Innenminister Herbert Kickl, nunmehr FPÖ-Klubobmann - "und wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie Ihren auch einhalten. Aber in den letzten Tagen hätte die FPÖ "das andere Gesicht des Bundeskanzlers gesehen." Dabei "habe ich weniger mit russischen Oligarchen zu tun als vielleicht manche auf der Regierungsbank".

13:55 "Sie wenden sich gegen das Volk"

Für ÖVP-Klubobmann August Wöginger ist der Misstrauensantrag offenbar ein feindlicher Akt: "Die sozialdemokratische Partei handelt hier gegen das Volk."

13:52 Uhr: Rendi-Wagner bringt Misstrauensantrag ein

"Herr Bundeskanzler, sie haben nicht mehr das Vertrauen der SPÖ-Abgeordneten" - Rendi-Wagner bringt formell den Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung und Staatssekretärin Karoline Edtstadler ein. Rendi-Wagner begründete den Misstrauensantrag mit der "einzigartigen Vorgehensweise" von Kurz, nämlich einem "zügellosen, schamlosen Griff nach Macht. Aber die Macht in unserem Land geht vom Volk aus", so Rendi-Wagner.

13:49 ÖVP mit lautem Lachen und Zwischenrufen bei Rendi-Rede

Aus den Reihen der ÖVP sind während Rendi-Wagners Rede heute ungewohnt viele Zwischenrufe und demonstratives Lachen zu hören; Präsident Sobotka muss ermahnen, "sich der Würde des Hauses entsrpechend zu verhalten".

13:45 Rendi-Wagner: "Sie wollen Zustimmung und Vertrauen für eine ÖVP-Alleinregierung"

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagnerwirft Kurz Verantwortungslosigkeit vor. Nicht nur würde seine Politik bereits zum zweiten Mal für Neuwahlen sorgen; er verlange auch Vertrauen und Zustimmung für "eine ÖVP-Alleinregierung - und zwar im Nachhinein".

Kurz habe mit diesen eigenmächtigen Entscheidungen den Weg der Stabilität verlassen: "Wer Vertrauen will, muss Verantwortung leben". Rendi-Wagner

13:38 Kurz: "Verstehe nicht, warum Sie die ganze Bundesregierung hineinziehen"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärt im Nationalrat, dass er das Ibiza-Video wie die allermeisten Menschen erst am Freitagabend gesehen hat. Am Tag davor hatte ihn Strache darauf hingewiesen, dass es "möglicherweise negative Berichterstattung" geben werde. Er, Kurz, verstehe nicht, warum die SPÖ nun die Bundesregierung mit in den Misstrauensantrag hineinziehe: Besonders gegenüber den in der Vorwoch ernannten neuen Expertenministern habe er nie Kritik gehört.

13:36 Karas hat nicht die meisten ÖVP-Vorzugsstimmen

ÖVP-Listenführer Othmar Karas ist bei der EU-Wahl nur auf Platz 3 der Vorzugsstimmen innerhalb seiner Partei gekommen - hinter Staatssekretärin Karoline Edtstadtler und der Oberösterreicherin Angelika Winzig.

13:08 Uhr: Sobotka bittet um Wohlverhalten

"Denken Sie bei all Ihren Entscheidungen an unsere Republik Österreich", eröffnet Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Sondersitzung vor einem voll besetzten Plenum. Auch das Medieninteresse war entsprechend groß.

Nicht nur die Abgeordneten waren geschlossen erschienen, auch die Regierungsbank sowie die Zuschauerränge waren im Ausweichquartier des Hohen Hauses in der Wiener Hofburg voll besetzt. Angesichts der in der Zweiten Republik einzigartigen Situation und der politisch aufgeheizten Stimmung bat Sobotka zu Beginn der Sitzung, auch auf Tonfall, Wortwahl und Respekt zu achten.

Dass der Regierung das Misstrauen ausgesprochen werden soll, war bereits am Vormittag klar geworden. Die FPÖ-Mandatare entschieden einstimmig, dem Misstrauensantrag der SPÖ zuzustimmen. Dazu kommen soll es allerdings erst am späten Nachmittag.

12:30 Uhr: Kurz dürfte noch zwei, drei Tage im Amt bleiben

Nach Informationen der Kleinen Zeitung ist wahrscheinlich, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kurz heute oder morgen entlässt und dann intermistisch mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betraut - bis eben ein neuer Kanzler und eine neue Regierung gefunden sind. Das könnte zwei bis drei Tage dauern.

Kurz würde Österreich beim EU-Gipfel am Dienstag Abend in Brüssel vertreten. Wer Kurz als Übergangskanzler nachfolgen könnte, darüber kann nur spekuliert worden.

Als Chef einer Übergangsregierung wünscht sich Hofer eine Person, die akzeptiert ist und Ruhe ausstrahlt. Er plädiert für ein Expertenkabinett, das in Ruhe die Geschäfte erledigt.

12:20 Uhr: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Ibiza-Videos

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Ibiza-Videos aufgenommen, das die Regierungskrise ausgelöst hatte.

12:10 Uhr: 11.000 Vorzugsstimmen für Strache allein in Wien

Für den zurückgetretenen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat die Affäre auch eine Solidarisierungswelle gebracht: Allein in Wien hat er 11.000 Vorzugsstimmen bei der EU-Wahl erhalten.

Bisher hatten alle Regierungen die Nationalratsmehrheit hinter sich. Auch wenn Koalitionen zerbrachen und Neuwahlen ausgerufen wurden, hielten sich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen bis zur Neuwahl daran, nicht gegen noch im Amt befindliche Kanzler oder Minister zu stimmen. Und umstrittene Regierungsmitglieder, denen der Vertrauensentzug drohte, traten immer zurück, ehe es dazu kam.

Für den Vertrauensentzug reicht die einfache Mehrheit im Nationalrat - allerdings mit dem verschärften Erfordernis, dass die Hälfte der Abgeordneten bei der Abstimmung im Plenarsaal anwesend sein muss. Und es gibt noch eine Besonderheit: Auf schriftliches Verlangen eines Fünftels der Abgeordneten muss die Abstimmung über einen Misstrauensantrag auf den zweitnächsten Werktag vertagt werden. Damit soll laut Parlamentshomepage verhindert werden, dass z.B. in Zeiten einer Grippewelle Regierungsmitglieder durch "Zufallsmehrheiten" zu Fall gebracht werden. Die ÖVP hätte die nötigen Abgeordneten dafür, sie hat aber bereits angekündigt, keine Verschiebung zu beantragen.

Die Folgen des Misstrauens

Der drohende Sturz der Regierung oder nur des Kanzlers durch das Parlament wird keinesfalls zu einem Vakuum führen. Unmittelbar nach der Abberufung der Minister und/oder des Kanzlers werden die Ämter wieder besetzt.

Der Bundespräsident hat dabei zwei Möglichkeiten: Er kann die abberufenen Amtsträger, Staatssekretäre oder höheren Beamten vorübergehend für ein paar Tage mit der Weiterführung der Geschäfte betrauen oder gleich eine neue Regierung ernennen.

Nach der Bundesverfassung darf kein Regierungsamt unbesetzt bleiben. Daher folgt auf die Abberufung immer eine Neubestellung. Sollte heute im Parlament der gesamten Regierung das Misstrauen ausgesprochen werden, wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen entweder diese vorübergehend für wenige Tage mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betrauen bis eine neue Übergangsregierung gefunden ist oder gleich eine neue Regierung ernennen.

Die letzte Variante scheint allerdings wenig wahrscheinlich, denn die Ernennung neuer Minister ist nur auf Vorschlag des neuen Bundeskanzlers möglich. Demnach müsste Van der Bellen zunächst einen neuen Kanzler finden und in Absprache mit diesem neue Minister aussuchen. Fix ist jedenfalls, dass alle Ministerien, wie sie im Ministeriengesetz festgeschrieben sind, besetzt werden müssen, wobei ausnahmsweise ein Minister auch zwei Ressorts leiten könnte.

Wenn nur der Kanzler abgewählt wird, wird Van der Bellen einen neuen Kanzler bestellen. Das könnte auch jemand aus der amtierenden Regierung sein. Rein formal ist die einzige Vorgabe, dass jene Person in den Nationalrat wählbar ist. Diese muss also österreichischer Staatsbürger und mindestens 18 Jahre alt sein. Sollte sie zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden sein, muss die Entlassung mindestens ein halbes Jahr her sein.