"Das Einzige, was mir Sorgen macht“, hatte ein hochrangiger FPÖ-Funktionär in einem lockeren Gespräch in den ersten Wochen der türkis-blauen Koalition gesagt, „sind unsere eigenen Leute.“ Gemeint hatte er damit den Hang in FPÖ-Rängen, verbal immer wieder über die Stränge zu schlagen, Tabus zu brechen, die Grenze zwischen rechts und rechtsextrem zu überschreiten.

Während das Spiel mit Provokation für die FPÖ in der Opposition auch Taktik war, versucht die Parteispitze inzwischen, solche Auffälligkeiten hintanzuhalten. Nicht zuletzt, um den um seinen Ruf in der internationalen Öffentlichkeit bedachten Koalitionspartner, die ÖVP, nicht vor den Kopf zu stoßen.

Was mit ein Grund war, dass es für österreichische Verhältnisse schnell ging, dass Christian Schilcher, Vizebürgermeister und FPÖ-Chef im oberösterreichischenBraunau, sowohl politische Ämter als auch Parteimitgliedschaft zurücklegte. Am Ostersonntag war öffentlich geworden, dass Schilcher in einem Parteiflugblatt unter dem Titel Die Stadtratte ein migrationskritisches Gedicht verfasst hatte. Am Montag hatte Schilcher noch versucht, mit einer Entschuldigung („Dass der Vergleich von Mensch und Ratte historisch belastet und mehr als unglücklich ist, ist ein Faktum und es tut mir aufrichtig leid, das missachtet zu haben“) im Amt zu bleiben.

Das internationale Echo ist groß

Spätestens als internationale Medien den Fall aufgriffen – „Outcry sparked by ‘deeply racist’ rat poem in Austria“ titelte etwa die BBC – war aber klar, dass es um Schilchers Politkarriere vorläufig geschehen war: Bei der Präsentation der FPÖ-Kampagne zur EU-Wahl am Dienstagvormittag („FPÖ voten gegen Asylchaoten“) erklärte Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Schilcher ziehe sich „freiwillig“ zurück, „um Schaden von der Partei abzuwenden“. Der Braunauer habe „in den politischen Müll gegriffen“, so Strache.

Begrüßt hat den Schritt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der Schilchers Text am Vortag als „abscheulich, menschenverachtend sowie zutiefst rassistisch“ verurteilt hatte: „Der Rücktritt war die einzig logische Konsequenz zu diesem abscheulichen und rassistischen Gedicht. Der klare Schritt des Vizekanzlers und der FPÖ-Spitze war notwendig und richtig.“

Erst die Identitären und jetzt das!

Erst vor wenigen Wochen hatte Kurz seinem Koalitionspartner Grenzen aufgezeigt, sollte dieser seine Beziehungen zu den „Identitären“ nicht glaubhaft kappen: Er sei bereit, zehn, 15 Jahre gemeinsam mit der FPÖ zu koalieren, hatte Kurz Strache Insidern zufolge eröffnet – aber nicht um jeden Preis: Es gebe „gewisse Grenzüberschreitungen“, die die Koalition nicht aushalten werde, sollte die FPÖ ihre Rolle als staatstragende Partei nicht mehr erfüllen können.

Eine Sollbruchstelle, auf die auch die Opposition setzt: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat am Dienstag einen Brief an Bundespräsident Alexander Van der Bellen geschrieben: „Es muss demokratischer Grundkonsens bleiben, dass Menschen nicht herabgesetzt, beleidigt oder gedemütigt werden dürfen“, schreibt Rendi-Wagner – und ersucht Van der Bellen, seinen Einfluss geltend zu machen, um solchen Entwicklungen Einhalt zu gebieten.

Es dürfte nicht der letzte Anlass für solche Debatten bleiben: Im Windschatten der „Ratten“-Debatte thematisieren steirische SPÖ und Grüne nun ein gut ein Jahr altes Sujet eines Flyers des Rings Freiheitlicher Jugend, der unter dem Titel „Tradition schlägt Migration“ antisemitische Karikaturen enthalte – beide fordern den Rücktritt von RFJ-Chefin Liane Moitzi.