Bulgarien steht selten im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit, dabei hat sich im ärmsten Mitgliedsland der europäischen Union heuer eine starke Protestbewegung entwickelt, die eine Erneuerung des politischen Systems fordert  - und vor allem ein Ende der Korruption. 

Die Demonstranten fordern lautstark den Rücktritt von Ministerpräsident Bojko Borissow. Der Konservative steht seit 2009 an der Spitze der Regierung. Ihm und seinen Getreuen werfen die Unzufriedenen Korruption und Verbindungen zur oligarchischen Mafia vor. Auch von einem Missbrauch von EU-Fördergeldern ist die Rede. Bulgarien ist das ärmste Land der EU - und laut Transparency International auch das korrupteste. Die Bulgaren fordern ein "Leben nach europäischen Normen" - und werfen Brüssel vor, zu lange zu wenig Druck auf die Regierung in Sofia ausgeübt zu haben.

Bulgariens Premier Boiko Borissow
Bulgariens Premier Boiko Borissow © APA/AFP/ARIS OIKONOMOU

Ihren Höhepunkt erlangte die Massendemonstrationen im Sommer, Corona bremste sie, konnte sie aber nicht zum Erliegen bringen. Einen Rücktritt Borissows konnten die Demonstranten bisher nicht erreichen - aber die Hoffnungen für das neue Jahr sind groß:  Im März 2021 stehen in Bulgarien Neuwahlen an; Borissow gilt nach den langen Protesten als angeschlagen.

Rüge

Zumindest eine Rüge aus dem EU-Parlament fuhr er sich zudem ein: Im Oktober verabschiedeten die Abgeordneten eine Resolution, in der sie die „erhebliche Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte – einschließlich der Unabhängigkeit der Justiz, der Gewaltenteilung, der Bekämpfung der Korruption und der Medienfreiheit in Bulgarien“ bedauern.

Wenig Freude machte er sich in Brüssel auch mit seiner Haltung gegenüber Nordmazedonien. Bulgarien blockiert weiterhin die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Skopje - und hält das emotional aufgeladene Thema um den Namen und die Sprache des Nachbarlandes weiter am Kochen - wohl auch als Wahlkampf-Manöver vor dem Urnengang im März. Borissow, gelernter Feuerwehrmann, hatte er schon in kommunistischen Zeiten mehrere Posten im Innenministerium inne. Er macht weiter nicht den Eindruck, sich von der Macht zurückziehen zu wollen.