Der Ausgang der Präsidentenwahl in Polen ist am Montagmorgen noch immer ungewiss. Die Nationale Wahlkommission will im Laufe des Vormittags eine Pressekonferenz abhalten, das offizielle Endergebnis wird nach Angaben der Wahlkommission frühestens am Montagabend vorliegen.

Prognosen des Instituts Ipsos zufolge führt der von der nationalkonservativen PiS-Partei unterstützte Amtsinhaber Andrzej Duda mit 51 Prozent denkbar knapp vor seinem liberalen Herausforderer Rafal Trzaskowski mit 49 Prozent. Bei der Stichwahl zeichnet sich damit das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Als am späten Abend die ersten Prognosen über die Bildschirme flimmerten, wussten viele Anhänger in beiden Lagern nicht, ob sie jubeln, trauern oder einfach nur weiterzittern sollten. Die Prognosen beruhen auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen in 500 Wahlbüros und Teilauszählungen in 450 dieser Wahlbüros.

Angesichts einer statistischen Fehlerquote von bis zu zwei Punkten hieß das aber: Faktisch war noch alles möglich. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Ipsos haben diese detaillierten Prognosen eine Fehlertoleranz von einem Prozentpunkt. Hochrechnungen wie in Deutschland gibt es in Polen nicht. Trzaskowskis oppositionelle Bürgerplattform teilte mit, sie sammle Informationen und Hinweise zu "verschiedenen Unregelmäßigkeiten" bei der Stichwahl.



Duda und Trzaskowski traten nach Schließung der Wahllokale vor ihre Anhänger und ließen sich vorsorglich feiern. "Dies ist ein grandioser Abend für die polnische Demokratie", erklärte Duda und stimmte in die lauter werdenden Rufe seiner Anhänger ein: "Es lebe Polen!" Trzaskowski prophezeite, dies werde eine lange Wahlnacht, und "unsere Resultate werden immer besser werden".


Beide Lager hatten in selten erlebtem Ausmaß auf "Mobilisierung, Mobilisierung und nochmals Mobilisierung" gesetzt, wie es die Zeitung "Rzeczpospolita" auf den Punkt brachte. Das führte zu einer Wahlbeteiligung von 68,9 Prozent, der historisch höchsten bei Wahlen im postkommunistischen Polen. Der Andrang wies auf die große Bedeutung der Abstimmung hin, viele Kommentatoren sprachen sogar von einer "Schicksalswahl für Polen".

Hintergrund war die aktuelle Machtverteilung im Land, das seit 2015 von der rechtskonservativen PiS regiert wird, als deren Kandidat vor fünf Jahren Duda ins Präsidentenamt kam. Das Staatsoberhaupt verfügt in Polen zwar über wenig Gestaltungsmöglichkeiten, aber über ein starkes Vetorecht. Duda machte davon jedoch keinen nennenswerten Gebrauch und unterstützte die Politik der PiS, deren autoritärer Chef Jaroslaw Kaczynski als "wahres Ziel" seiner Partei einen fundamentalen Umbau von Staat und Gesellschaft ausgegeben hat.

Ein heroischer Patriotismus und die Werte des katholischen Polentums sollen demnach die Basis einer Leitkultur schaffen, die von einem starken Staat geschützt wird. Trzaskowski hat dagegen angekündigt, das Präsidentenveto in der hoch umstrittenen Justiz- und Bürgerrechtspolitik nutzen zu wollen. Wegen der Aushöhlung der Gewaltenteilung durch die PiS-Regierung hat die EU-Kommission schon 2016 ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet.