Es ist schon erstaunlich: Drei Jahre grelles Twitter-Geschrei. Drei Jahre Chaos-Truppe im Weißen Haus. Drei Jahre außenpolitisches Zick-Zack-Verbrüdern mit Diktatoren und gedankenloses Ans-Messer-Liefern von Verbündeten. Selten war ein US-Präsident so unbeliebt wie Donald Trump – nur 43 Prozent der Amerikaner haben eine gute Meinung von ihrem Präsidenten.

Und doch: Wenn morgen in den USA gewählt würde, würde die Welt erneut aufwachen und den aggressiven Polemiker im Oval Office vorfinden. Das sagen zumindest die Umfragen und Analysen zum jetzigen Zeitpunkt. In einem Jahr, am 3. November 2020, wird in den USA wieder der Präsident gewählt. Während die Demokraten noch wochenlang auskämpfen, wer von ihnen gegen Trump in den Ring steigen wird, hat Amtsinhaber Trump seit seiner Angelobung im Jänner 2017 mit dem Wahlkampf gar nie aufgehört. Wer hat die Statur, ihn aus dem Amt zu hieven? Die Favoriten unter seinen Herausforderern – John Biden, Elizabeth Warren und Bernie Sanders – sind Urgesteine der US-Politik. Die Themen, mit denen sich die Demokraten herumschlagen, sind ehrenwert: Es geht um ein faires Gesundheitssystem für alle, um Lösungen gegen Amokläufe und ausufernde Waffengewalt – Themen, mit denen sie in den liberalen Küstenstädten punkten können. Doch genau dort, wo sich die Wahlen in den USA entscheiden – in den Swing-States – sind liberale Positionen weniger gefragt.

So fürchtet man in Kreisen der Demokraten, ihr Kandidat könnte ein ähnliches Schicksal erleiden wie Hillary Clinton bei der letzten Wahl: landesweit die Mehrheit der absoluten Stimmen zu erringen, aber dann, aufgrund des Wahlsystems, bei den Wahlmännern hinten zu liegen und gegen Donald Trump zu scheitern. Heute werden in einigen Bundesstaaten Volksvertretungen gewählt – ein kleiner Stimmungstest.

Die Basis ist treu

Denn Trumps Basis steht weiter treu hinter ihm – wie auch die Entscheidungsträger seiner Partei in Washington. Wenn die Demokraten sich wegen der Todesschützen um die Sicherheit der Kinder in Volksschulen sorgen, schreit Trump: „Niemand wird Euch die Waffen wegnehmen!“. Der Präsident hat geliefert: Wie versprochen hat er konservative Richter in zentrale Positionen berufen. Einzig George Washington hat mehr neue Richter eingesetzt. In den USA entscheiden sie über Themen, die der Basis unter den Nägeln brennen: Waffenbesitz, Abtreibung, Einwanderungsfragen.

Und dann hat der Amtsinhaber den wohl wichtigsten Trumpf im Ärmel: Die Wirtschaft brummt (noch). Die Börse boomt, die Arbeitslosigkeit erreichte in der größten Volkswirtschaft der Welt im September mit 3,5 Prozent den tiefsten Stand seit 50 Jahren. Obwohl manche diese Erfolge auch Barack Obamas Vorarbeit zusprechen, obwohl auch in den USA für das kommende Jahr das Schreckgespenst einer Rezession im Raum steht und seine Handelskriege Spuren hinterlassen, haben dennoch die Trump-Basis, aber auch moderate Wechselwähler den Eindruck: Für sie läuft es gut unter diesem Präsidenten. „It’s the economy, stupid!“. Mit diesem Wahlkampf-Slogan – alles hängt vom Zustand der Wirtschaft ab – gewann schon Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen.

Aber da ist ja noch das Amtsenthebungsverfahren, mag man einwenden. Tatsächlich zieht sich in der Ukraine-Affäre die Schlinge um den Hals des Präsidenten zu. Immer mehr Zeugenaussagen weisen darauf hin, der Präsident könnte die Macht seines Amtes benutzt haben, um einen anderen Staat – die Ukraine – im Wahlkampf gegen Joe Biden einzuspannen. Der Zug Richtung Amtsenthebung scheint unaufhaltsam losgefahren zu sein – nur ob er jemals dort ankommt, wo er hinwill, ist fraglich: Die Demokraten werden Trump im Repräsentantenhaus, wo sie die Mehrheit haben, anklagen. Doch im Senat, so sie eine Zweitdrittemmehrheit bräuchten, haben Trumps Republikaner das Sagen. 20 von ihnen müssten die Seite wechseln. Das wird aus heutiger Sicht eine Vollbremsung werden.

Kreuzverhöre

Jetzt könnte man meinen, die öffentlichen Kreuzverhöre, die Berichterstattung über die politischen Winkelzüge des Präsidenten werden schon Spuren hinterlassen in der Wählermeinung. Mag sein. Aber selbst die Untersuchungen zur russischen Wahlkampfhilfe 2016, selbst sein „Ausrutscher“, als er 2018 das Wort Wladimir Putins, der alles bestritt, über die Ermittlungen der US-Geheimdienste stellte, wurde ihm von seiner Kern-Wählerschaft verziehen. Im lauten Getöse und den „Hexenjagd!“-Schreien des Präsidenten geht jeder Affront rasch wieder unter.

Also: Alles Trump bis 2025? Die Demokraten, so die „New York Times“, hoffen im Stillen noch auf eine Kandidatur von Michelle Obama. Doch diese Träume sind fern der Realität – die beliebte Ex-First-Lady hat mehrfach Nein gesagt. Gefährlicher könnte Trump da schon der Unmut der Kohle-Arbeiter werden – den Niedergang der fossilen Industrie scheint nicht einmal der Klima-Leugner Trump aufhalten zu können. Binnen eines Jahres mussten acht große Kohle-Unternehmen schließen. Doch Allan Lichtman, Politologe an der American University in Washington und als treffsicheres „Wahlorakel“ bekannt, glaubt nicht, dass es ohne eine stärkere Eintrübung der Wirtschaft gelingen kann, das Blatt zu wenden.

Die Institutionen der amerikanischen Demokratie werden Trumps Wiederwahl und seine Angriffe überstehen. Doch die Hetze, das öffentliche Abwerten von Kritikern, das geschürte Drama werden die Spaltung des Landes vorantreiben. Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat kürzlich in einem Interview einen wohl realistischen Ausblick auf die Zukunft gegeben: „Vier Jahre Donald Trump werden sehr schwer zu überwinden sein, aber wir können es. Acht Jahre Donald Trump werden den Charakter unseres Landes grundlegend verändern. Es wird eine Generation oder mehr dauern, bis wir wieder auf Kurs sind.“