Die Kommissare Didier Reynders (Justiz), Ylva Johansson (Inneres) und Stella Kyriakides (Gesundheit) stellten in Brüssel jene Leitlinien vor, von denen schon die ganze Woche geredet worden war - eine Empfehlung an die EU-Mitgliedstaaten für "gemeinsame Kriterien und Schwellenwerte" für Reisebeschränkungen. Demnach soll auch ein Farbcode-System zur Kennzeichnung von Risikogebieten sowie einen gemeinsamen Rahmen für Auflagen für Reisende wie Tests oder Quarantäne geben. Und schließlich müsse eine "klare und rechtzeitige Information" der Öffentlichkeit erfolgen.

Wie bereits zu Beginn der Pandemie im Frühjahr gehen die EU-Staaten derzeit sehr unterschiedlich bei Reisebeschränkungen wegen Covid-19 vor. So warnt etwa Österreich vor Reisen nach Kroatien, Deutschland stuft Kroatien nur in Teilen als Risikogebiet ein. Ungarn hat unter Berufung auf Corona sogar generell die Einreise untersagt. Ausnahmen gibt es nur für Reisende aus Polen, Tschechien und der Slowakei.

Die Freizügigkeit sei eine der greifbarsten Errungenschaften der EU, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuvor in einem Video. Gleichzeitig sei es in der Coronakrise sehr wichtig, die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Die Bürger seien aber "oft verwirrt" von den von Land zu Land unterschiedlichen und sich schnell ändernden Reisebeschränkungen. "Wir müssen für mehr Klarheit und Berechenbarkeit sorgen."

Der Plan sieht nun diese Regelung vor:

Die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC soll "jede Woche eine aktualisierte Karte herausgeben", auf denen die nationalen Maßnahmen gekennzeichnet sind. Die Karte sollte, so die Kommissare, jeweils an Donnerstagen veröffentlicht werden und dann ab Montag gelten.

Regionen würden dabei je nach Lage grün, orange oder rot dargestellt, grau ist eine Zwischenstufe:

  • Grün für ein Gebiet, in dem die Zahl aller innerhalb von 14 Tagen neu gemeldeten COVID-19-Fälle unter 25 UND der Anteil der positiven Tests an allen durchgeführten COVID-19-Tests unter 3 % liegt;
  • Orange für ein Gebiet, in dem die Zahl aller innerhalb von 14 Tagen neu gemeldeten COVID-19-Fälle unter 50 liegt, ABER der Anteil der positiven Tests an allen durchgeführten COVID-19-Tests 3 % oder mehr beträgt ODER in dem die Zahl aller neu gemeldeten COVID-19-Fälle zwischen 25 und 150, ABER der Anteil der positiven Tests an allen durchgeführten COVID-19-Tests unter 3 % liegt;
  • Rot für ein Gebiet, in dem die Zahl aller innerhalb von 14 Tagen neu gemeldeten COVID-19-Fälle über 50 liegt UND der Anteil der positiven Tests an allen durchgeführten COVID-19-Tests 3 % oder mehr beträgt ODER in dem die Zahl aller innerhalb von 14 Tagen neu gemeldeten COVID-19-Fälle über 150 pro 100 000 Personen liegt;
  • Grau, wenn nicht genügend Informationen für die Beurteilung anhand der von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien vorliegen ODER weniger als 250 COVID-19-Tests pro 100 000 Personen durchgeführt werden.

Einreise aus roten Zonen nicht verweigern

Die Kommission plädiert dafür, auch Reisenden aus roten Zonen mit hohen Infektionszahlen die Einreise innerhalb der EU nicht zu verweigern. "Stattdessen empfehlen wir den Regierungen, auf Tests oder Quarantäne zurückzugreifen", sagte von der Leyen. Tests sollten dabei "die bevorzugte Option sein, um den Menschen das Reisen zu erleichtern."

Allerdings herrscht nach wie vor Unklarheit darüber, ob eine Quarantäne wie bisher 14 Tage, nur 10 Tage oder gar nur 5 Tage dauern könnte, wie derzeit diskutiert wird. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sagte nach einem virtuellen Treffen der Gesundheitsminister, die Länder müssten die jeweiligen Folgen abwägen: "20 Tage wären am sichersten, zehn Tage könnten möglich sein."

Gemeinsame Kriterien

Entscheidend sollen für alle Maßnahmen gemeinsame Kriterien sein, um weiteres Chaos zu vermeiden. Gemäß dem Vorschlag der Kommission sollte jeder Mitgliedstaat die folgenden Kriterien bei der Verhängung von Beschränkungen berücksichtigen:

  • Die Zahl aller in einem bestimmten Gebiet innerhalb von 14 Tagen neu gemeldeten COVID-19-Fälle pro 100 000 Personen;
  • den Anteil der positiven Tests an allen in einem bestimmten Gebiet innerhalb von 7 Tagen durchgeführten COVID-19-Texts;
  • die Zahl der in einem bestimmten Gebiet innerhalb von 7 Tagen durchgeführten COVID-19-Tests pro 100 000 Personen.

Die Mitgliedstaaten sollten diese Daten wöchentlich an das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten weiterleiten. Zudem sollten sie sie auf regionaler Ebene bereitstellen, damit gezielt Maßnahmen für die Regionen getroffen werden können, in denen sie unbedingt notwendig sind.

Wenn die wöchentliche Testquote des Mitgliedstaats der Ausreise höher als 250 Tests pro 100 000 Personen liegt, sollten die Mitgliedstaaten dem Vorschlag der Kommission zufolge die Freizügigkeit von Reisenden aus anderen Mitgliedstaaten nicht beschränken, wenn die Zahl aller in einem bestimmten Gebiet innerhalb von 14 Tagen neu gemeldeten COVID-19-Fälle unter 50 pro 100.000 Personen liegt oder der Anteil der positiven Tests an allen in einem bestimmten Gebiet durchgeführten COVID-19-Texts unter 3 % liegt.

Regionen, nicht Länder

Die Kommission schlägt klar vor, dass nicht mehr ganze Länder auf Listen gesetzt werden sollen, sondern Regionen. Es müsse ausschlaggebend sein, woher man kommt und wohin man will und nicht, welcher Nationalität man angehört oder um welches Land es gehe. Das ist nicht nur auf jene Länder gemünzt, die bisher ganze Länder auf die Sperrliste gesetzt haben (so wie Österreich Kroatien), sondern richtet sich auch konkret an Ungarn, das seine Grenzen für den Großteil der anderen Länder sperrt, nicht aber für die Visegrad-Verbündeten.

Klar ist freilich, dass dieses System eine umfangreiche Datenerfassung benötigt und daher auch in puncto Datenschutz eine Herausforderung darstellt.

Inwieweit die Vorschläge der Kommission nun aufgegriffen werden, hängt von den Mitgliedstaaten ab. Denn die Gesundheitspolitik und Einreisebeschränkungen sind nationale Kompetenzen. Grundsätzlich, so die Kommissare, sei der Wunsch groß, einheitliche Lösungen zu finden. Schon kommende Woche soll der Vorschlag im Rat behandelt werden.