Auf wenig Gegenliebe stößt die von der Bundesregierung am Freitag veröffentlichte Corona-Ampel. Die SPÖ warnte vor einem "Ampel-Chaos", weil die mit der Ampelschaltung verbundenen Maßnahmen noch keine rechtliche Gültigkeit hätten, so die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. In einer schriftlichen Stellungnahme fragte sie sich zudem, warum die Ampel erst jetzt - drei Tage vor Schulbeginn und nach dem Ende der Reisesaison - komme. "Wir hätten sie schon im Frühjahr gebraucht. Auch für die gesetzliche Grundlage hatte die Bundesregierung drei Monate Zeit", kritisierte Rendi-Wagner.

FPÖ-Chef Norbert Hofer zeigte sich enttäuscht. "Experten ohne Ende und eine unüberschaubare Anzahl an Parametern, die in die Bewertung einfließen sollen, sind wohl nicht jene Transparenz, die sich Bürger und Wirtschaft erwarten", meinte er in einer Aussendung. Schärfer formulierte es Klubchef Herbert Kickl, der vor der "DDR 2.0" warnte.

Positiv reagierte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. "Nach einer Reihe von inhaltsleeren Erklärungen hat die Regierung endlich unsere andauernde Kritik aufgenommen und einen Schritt zu mehr Klarheit für die Bevölkerung geliefert. Angesichts des Schulbeginns im Osten am Montag hätten wir uns diesen Schritt jedoch früher erwartet", ließ er wissen. Offen bleibe noch, ab wann die jeweiligen Maßnahmen gesetzt werden.

Gelassenheit in Gastronomie und Kultur

Nicht überrascht zeigen sich Vertreter der Gastronomie, die von der Entscheidung unmittelbar betroffen sind. Kellner müssen in den gelb klassifizierten Bezirken künftig wieder verpflichtend Mund-Nasen-Schutz tragen. "Es gibt nicht etwas, was wir nicht erwartet haben", sagt 
Wirtschaftskammer-Gastrospartenobmann Mario Pulker am Freitagnachmittag. Das Wichtigste für die Betriebe sei Planungssicherheit.

Die Maskenpflicht für das Servicepersonal bei Stufe "gelb" der Corona-Ampel sieht der Gastrovertreter nicht als Problem. Man habe im Frühjahr damit schon Erfahrung gemacht und einige Gastrobetriebe hätten weiterhin bei Mitarbeitern auf Mund-Nasen-Schutz (MNS) gesetzt. Details vermisst Pulker zu Quarantänebestimmungen, sollte es zu einem Corona-Fall unter den Beschäftigten kommen.

Zufrieden mit den Folgen der Corona-Ampel für den Kulturbereich hat sich am Freitag Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) gezeigt. "Die Corona-Ampel stellt ein sinnvolles Arbeitsinstrument dar, um angemessen auf die jeweilige Situation in der jeweils betroffenen Region reagieren zu können. Mit den Rahmenbedingungen können auch die Kulturinstitutionen gut arbeiten", sagte sie.

"Orange wäre eine Katastrophe"

Ihr sei wichtig gewesen, dass auch bei Ampelfarbe Gelb große Veranstaltungen stattfinden können und den Künstlerinnen und Künstlern Auftrittsmöglichkeiten geboten werden, was der Fall sei: "Der Unterschied zwischen Ampelfarbe Grün und Gelb ist nicht so groß." Eine zentrale Differenz sei, dass der Mund-Nasen-Schutz bei Gelb auch während der Vorstellung getragen werden muss: "Bei Gelb wäre das auch am Platz geplant."


Auch bei den Bundestheatern nimmt man die Nachricht von der Gelb-Einstufung Wiens gelassen auf. "Das bedeutet keine große Veränderung. Insofern macht mir die Ampel derzeit keine großen Sorgen", unterstrich Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Christian Kircher. Anders stellte sich im Fall der Fälle die Lage dar, sollte die Ampel einmal auf Orange springen. "Orange wäre eine Katastrophe", unterstrich Kircher.

Kritik aus Graz, Linz und Wien

Die Stufe "gelb" der Corona-Ampel gilt aktuell in Wien, Graz, Linz und im Bezirk Kufstein. Dort wird die Entscheidung weniger positiv gesehen. Der Grazer Bürgermeister Sigfried Nagl (ÖVP) meinte, er müsse wegen "mangelhafter Kommunikation auch den Gesundheitsminister die Ampel auf gelb schalten." Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)  kritisierte mangelhafte Transparenz. Verärgert reagierte auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ): "Wir werden aufgrund dieses obskuren Ampelkonstrukts keine wie immer gearteten Verschärfungen durchführen", kündigte er in einer Pressekonferenz an. Auch der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer ortete "einen klassischen Fehlstart bei der Corona-Ampel". Die Gelbschaltung für Linz sei "unverständlich und auf Basis objektiver Zahlen nicht nachvollziehbar". Es werde daher keine Empfehlung des Landes für Verschärfungen in Linz geben.

Treffen mit Rudolf Anschober

Das Land Tirol hat auf die gelbe Corona-Ampel im Bezirk Kufstein verhalten reagiert. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kündigte im Rahmen einer Pressekonferenz an, die bundesweite Verordnung abwarten zu wollen. Man werde sich an die derzeit empfohlenen verschärften Maßnahmen halten. Indes hielten die Landesvertreter eine Differenzierung innerhalb eines Bezirks für sinnvoll.

"Ich möchte nicht mit Kritik beginnen, schließlich stehen wir noch am Beginn der Corona-Ampelregelung", stellte Platter am Freitag im Tiroler Landhaus klar. Aufgrund topografischer Besonderheiten in Tirol halte er eine Differenzierung innerhalb eines Bezirks jedoch für nötig. "Das Alpbachtal ist ein gutes Beispiel: Die Ampel steht auch hier auf gelb, obwohl schon lange keine Infektionen mehr verzeichnet wurden", so der Landeschefs. Er wolle diese Überlegung bei einem Treffen mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag "in Ruhe besprechen".

"Regierung hat Hausaufgaben nicht gemacht"

Den Zeitpunkt der Veröffentlichung kritisiert auch Christian Moser, der Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf. „Das erst heute die Corona-Ampel online gegangen ist, erzeugt wieder einmal unnötigen Stress durch Unsicherheit. Für den geregelten Schulstart fehlen immer noch wichtige Informationen: Dürfen die Eltern eines Erstklässlers am ersten Tag mit in die Schule oder nicht? Darf der Freund aus der anderen Klasse begrüßt werden? Das ist alles offen,“ so Moser. In seinen Augen habe die Regierung über den Sommer ihre Hausaufgaben nicht gemacht.