Tausende Menschen haben im äußersten Südwesten Frankreichs gegen den Gipfel der großen Industriestaaten (G-7) in Biarritz demonstriert. Zu der von den Behörden genehmigten Kundgebung in Hendaye an der Grenze zu Spanien hatten Dutzende Gruppen aufgerufen, unter anderem Globalisierungsgegner.

Bei einer nicht genehmigten Demonstration von hunderten Gegnern des G-7-Gipfels ist es am Samstag unweit von Biarritz zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Die Sicherheitskräfte setzten in Bayonne Tränengas ein, nachdem aus den Reihen des Demonstranten Steine geflogen waren.

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Der Gipfel der G-7 hat am Abend im rund 30 Kilometer entfernten Biarritz begonnen. Biarritz wurde zu einer Festung umgebaut, Kundgebungen sind dort nicht erlaubt.Das Toptreffen wird von über 13.000 Einsatzkräften geschützt. In der gesamten Region werden Ausschreitungen gewalttätiger Gipfelgegner befürchtet.

Konflikte zwischen Europa und den USA

US-Präsident Donald Trump landete am Samstag in der westfranzösischen Stadt Bordeaux, am Nachmittag wurde er am Tagungsort in Biarritz erwartet. Der G-7-Gipfel wird von Spannungen unter den führenden Industrieländern überschattet. Vor seinem Abflug drohte Trump Frankreich mit Strafzöllen auf Wein, sollte das Land seine Digitalsteuer für große US-Internetkonzerne wie Google und Apple nicht zurücknehmen. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte in Biarritz an, die Europäische Union werde geschlossen auf mögliche Strafzölle auf Wein reagieren. Angesichts der zahlreichen Streitigkeiten unter G-7-Staaten hat Tusk den Gipfel in Biarritz als "die vielleicht letzte Gelegenheit" bezeichnet, um wieder so etwas wie politische Gemeinschaft herzustellen.

"Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es für alle von uns zunehmend schwierig ist, zu einer gemeinsamen Sprache zu finden - und das in einer Zeit, in der die Welt eigentlich mehr Zusammenarbeit braucht und nicht weniger", erklärte Tusk. Es werde sich nun zeigen müssen, ob man in der Lage sei, gemeinsame Lösungen zu finden oder ob man sich auf sinnlose Streitigkeiten untereinander fokussiere.

Als große Baustellen der G-7-Staaten nannte Tusk die aktuellen Handelskonflikte sowie den Klimaschutz und die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Zudem erwähnte er das Wiederaufleben von Nationalismus und "Russlands Aggressionen gegen die Ukraine". Die von US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebrachte Wiederaufnahmen Russlands in die Gruppe der großen Wirtschaftsmächte lehnte Tusk in diesem Zusammenhang kategorisch ab. "Ich werde heute versuchen, meine Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass es besser wäre, die Ukraine zum nächsten G-7-Treffen einzuladen", erklärte er. Auch wenn das Land nur Gast sein könne.

Macron will Deeskalation

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will versuchen, zu einer Deeskalation zu kommen. "Ich will alle unsere Partner überzeugen, dass Spannungen, insbesondere Handelsspannungen, schädlich für die ganze Welt sind", sagte er. Vor Beginn des G-7-Gipfels ist der französische Präsident zu einem zuvor nicht angekündigten Mittagessen mit US-Präsident Donald Trump zusammengekommen. Nach seinen Angriffen gegen Frankreich vor seiner Abreise gab sich Trump vor dem Essen auf der Terrasse des "Hotel du Palais" versöhnlich.

"Wir haben eigentlich viel gemeinsam", sagte der US-Präsident am Samstag. Auch wenn es gelegentlich Differenzen gebe, verbinde ihn ein "besonderes Verhältnis" mit Macron.

Der Gipfel begann offiziell um 19.30 Uhr mit einem gemeinsamen Abendessen. Der französische Gastgeber und amtierende G-7-Vorsitzende, Präsident Macron, will bei dem Treffen unter anderem die Brände in der Amazonasregion und internationale Konfliktherde wie den Iran zum Thema machen.

"Das Amazonasgebiet ist unser Allgemeingut", sagte Macron am Samstag im französischen Fernsehen. Frankreich sei besonders betroffen, denn es habe das Überseegebiet Französisch-Guyana, das an Brasilien grenzt.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel erwartet von dem Gipfel ein klares Signal für einen Stopp der verheerenden Waldbrände im Amazonasgebiet. "Wir werden uns damit beschäftigen, wie wir unterstützen und helfen können und einen klaren Aufruf dazu senden, dass alles getan werden muss, damit der Regenwald aufhört zu brennen", sagte Merkel in einem am Samstag kurz vor ihrer Abreise ins französische Biarritz gesendeten Podcast. Der französische Präsident Macron habe Recht, wenn er sagt: "Unser Haus brennt." Da könne man nicht schweigen.

Wegen der verheerenden Waldbrände will nun auch die EU Brasilien unter Druck setzen. Ratspräsident Donald Tusk machte am Samstag den Fortgang der Ratifizierung des Handelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten von einem glaubwürdigen Einsatz Brasiliens zur Bekämpfung der Brände abhängig. Zuvor hatten bereits Gipfelgastgeber Frankreich sowie Irland mit einer Blockade des Freihandelsabkommens mit dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur gedroht.

Inzwischen haben sich allerdings die Efta-Mitgliedsstaaten (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) mit Mercosur geeinigt.

Angela Merkel erklärte, man werde sich mit der Frage beschäftigen, wie man dort helfen könne: Auch werde es einen klaren Aufruf geben, alles zu tun, damit der Regenwald nicht weiter brenne. "Macron hat Recht: Unser Haus brennt - und da können wir nicht schweigen", sagte die Kanzlerin. Mehrere EU-Staaten hatten Brasilien mit Handelssanktionen gedroht, weil dessen Präsident Jair Bolsonaro vorgeworfen wird, zu Brandrodungen im Regenwald aufgefordert zu haben. Dies wird von Deutschland aber nicht als zielführend angesehen.

Der Gegengipfel im Baskenland

In der französisch-spanischen Grenzregion, im Baskenland, tagt seit Mitte der Woche der offizielle "Gegengipfel", der von einem breiten Bündnis aus NGOs und Globalisierungsgegnern organisiert wird.

"Wir glauben, dass als Gipfelort absichtlich ein Ort gewählt wurde, der weitab von den Metropolen ist", sagt Michael Tellmann vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac, das den "Gegengipfel" mitorganisiert hat.

Doch warum braucht es eigentlich einen "Gegengipfel"? "Die Regierungen der G-7 sind hauptverantwortlich dafür, was in den letzten 20 Jahren an den Folgen neoliberaler Deregulierung passiert ist", sagt Tellmann. Eine immer größere Schere zwischen Arm und Reich, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, Finanzkrise - all das ginge auf das Konto der G-7-Länder Deutschland, Frankreich, USA, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan. Die Abschlusserklärungen seien Lippenbekenntnisse, aus denen keine Taten folgten. Ziel des "Gegengipfels": Mit eigenen Vorschlägen als Alternative die Gesellschaft durchdringen.

13.000 Sicherheitskräfte bewachen den Gipfel.
13.000 Sicherheitskräfte bewachen den Gipfel. © AP

Bis Montag beraten in Biarritz die Regierungschefs. Macron hat auch zahlreiche Nicht-G-7-Staaten zu Debatten etwa über Klimaschutz und den Abbau von Ungleichheiten in der Welt eingeladen. Dazu zählt etwa der indische Ministerpräsident Narendra Modi, so dass auch der Kaschmir-Konflikt mit Pakistan Thema werden dürfte.