1. Sind "Reichsbürger" auch in Österreich ein sicherheitsrelevantes Problem?

Laut Innenministerium werden seit 2017 auch in Österreich Aktivitäten von "Reichsbürgern" und Staatsverweigerern beobachtet. Es handelt sich demnach um eine zweistellige Zahl von Personen. Die DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) schätzt darüber hinaus, dass insgesamt bis zu 4000 Menschen der Szene der Staatsverweigerer im weiteren Sinn zuzurechnen seien. Man habe diese Personen unter Beobachtung. Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Gefährdungen gebe es derzeit allerdings nicht.


2. Hat die 2017 eingeführte Strafverschärfung für "staatsfeindliche" Bewegungen Wirkung gezeigt?

Bis etwa 2018 wurde ein rasches Wachstum der Staatsgegner-Szene beobachtet. Man konnte das Phänomen seither aber offenbar wirksam eindämmen. Das dürfte auch auf die geänderte Gesetzeslage zurückgehen. Der 2018 geführte Strafprozess gegen 14 Mitglieder des "Staatenbundes Österreich" hat den Zulauf unterbrochen. Der "Staatenbund" als organisierte Gruppierung gilt inzwischen als nicht mehr existent. Einzelne Mitläufer stehen weiter im Visier der Justiz.


3. Welche Gruppierungen sind in Österreich aktiv?

Neben dem "Staatenbund Österreich", geführt von der ehemaligen FP-Lokalpolitikerin Monika U., die derzeit eine zwölfjährige Haftstrafe absitzt, gibt es weitere staatsfeindliche Organisationen: OPPT (One People’s Public Trust), Freeman, Terranier und Souveräne Bürger. Während die meisten sich mit Einschüchterungstaktiken wie Drohbriefen und Eintragung in Schuldenregister begnügten, gilt der ICCJV (International Common Law Court of Justice Vienna) auch als gewaltbereit. 2014 sollte eine Sachwalterin in Niederösterreich von bewaffneten "Marshalls" einem "Gericht" vorgeführt werden. Was die Gruppierungen eint, ist der Glaube, dass der Staat keine Autorität habe. Im Prozess gegen den Staatenbund sagten die Angeklagten, dass Österreich nur eine "Firma" sei. Den "Vertrag" mit ihr könne man einseitig aufkündigen.


4. Wie groß ist die Szene in Deutschland und welche Gefahr geht von ihr aus?

In Deutschland dürften der Szene insgesamt 21.000 Personen angehören, schätzen die Behörden. Der Staatsschutz in der Bundesrepublik spricht davon, dass eine terroristische Vereinigung entstanden sei und viele der Mitglieder auch bewaffnet waren. Bei mehr als 50 Durchsuchten wurden Waffen gefunden. Damit wurde auch die Razzia gerechtfertigt, die eine der größten Einsätze gegen Extremismus in der Geschichte des Bundeskriminalamts in Deutschland darstellt. Ob die mutmaßlichen Terroristen jedoch tatsächlich in der Lage gewesen wären, ihre Umsturzpläne auch in die Tat umzusetzen, bleibt zweifelhaft.

Laut "Spiegel" dürfte bereits einmal ein Termin für den "Tag X" verstrichen sein, ohne dass irgendetwas geschehen sei. Trotzdem schätzen die Behörden die Gefährlichkeit der Gruppe als hoch ein. Der deutsche Verfassungsschutz rechnet für das Jahr 2021 den "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 1011 extremistische Straftaten zu, darunter 184 Gewalttaten. Der schwerwiegendste Vorfall ereignete sich 2016, als ein 49-Jähriger auf vier Polizisten schoss und sie verletzte. Er erlag wenig später selbst seinen Verletzungen.


5. Wie reagiert man in Deutschland?

Zwei Tage nach der großen Razzia mehren sich die Rufe nach politischen Konsequenzen und zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen im Bundestag. Dass unter den mutmaßlichen Verschwörern, die in Untersuchungshaft sitzen, auch eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete ist, nehmen einige Politiker zum Anlass für Forderungen nach einem neuen Umgang mit der Partei. Der Verfassungsschutz hat die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall im Blick.


6. Was macht die Ideologie der Reichsbürger aus und was macht sie so gefährlich?

Reichsbürger lehnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihre Autorität ab. Meist wird argumentiert, wegen der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg sei sie ein abhängiger "Vasallenstaat", der gar keine eigene Verfassung habe, sondern eben nur ein "Grundgesetz". Beide Behauptungen sind natürlich widerlegt: Spätestens mit der Wiedervereinigung und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde die volle Souveränität Deutschlands wiederhergestellt. Und das Grundgesetz ist die gültige Verfassung. Reichsbürger verstehen sich als "Selbstverwalter". Sie behaupten, sie könnten aus dem Staat austreten und ihr Haus als souveränes Staatsgebiet definieren.