Die Teuerungen treffen ärmere Bevölkerungsschichten am härtesten. Menschen, die unter die Armutsgrenze zu rutschen drohen, sind immer öfter in den Sozialmärkten und bei Essensausgaben anzutreffen. Das zeigen aktuelle Zahlen aus dem ganzen Bundesgebiet.

Im Grazer Vinzimarkt in der Karl-Morre-Straße kaufen rund 40 Prozent mehr Kunden ein. Das sind pro Tag knapp 170 Personen. Die Menge der verkauften Waren ist allerdings gleich geblieben. Im Marienstüberl stehen pro Tag 250 Personen mehr an als noch im Vorjahr. Dabei handelt es sich zum Teil um ukrainische Familien, aber auch jene Menschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens kaum noch über die Runden kommen.

Liselotte Suette, Geschäftsführerin von Sozialmarkt Kärnten, spricht von rund zehn Prozent mehr Kunden. Die Kaufkraft steige aber nicht, weil "die Kunden jeden Cent umdrehen müssen. Was in den letzten Monaten geschehen ist, schlägt sich bei uns eins zu eins nieder. Alle haben große Sorgen". In den Kärntner Sozialmärkten habe sie die Frage "Darf ich anschreiben?" in den letzten 20 Jahren nie erlebt. Jetzt schon.
Grundsätzlich dürfen dort alle einkaufen, die nicht mehr als 1100 Euro netto verdienen. Aufgrund des Ansturms überlege man bereits, ob man diese Grenze hinaufsetzen könnte. "Dann haben wir noch mehr Kunden. Doch haben wir auch mehr Ware?", fragt Suette.

Mehr Bedarf, weniger Ware

Die Oberösterreichische Tafel in Wels hat um fast 40 Prozent mehr Kunden, die Volkshilfe-Soma-Märkte in Linz und Wels verzeichnen laut ORF um etwa zehn Prozent mehr Bedürftige. Speziell in den letzten Wochen habe es einen regen Zulauf von neuen Kunden gegeben

Die Rekordinflation von sieben Prozent frisst die Einkommen weg. Das Existenzminimum für Alleinstehende liegt derzeit bei 1030 Euro im Monat. Aufgrund der Teuerung sind die 1030 Euro aber nur noch 960 Euro wert. Immer mehr Menschen plagen daher Existenzängste.

Ähnlich ist die Lage in Tirol. Michaela Landauer vom Tiroler Sozialmarkt (Tiso) spricht von einer deutlichen Steigerung, was den Bedarf ihrer Kunden angeht. "Normalerweise haben wir täglich rund 60 Leute im Geschäft, mittlerweile sind es gut 200." Das Gros der neuen Kunden stammt aus der Ukraine, aber Landauer ist davon überzeugt, dass bald auch mehr Einheimische kommen werden. "Viele schwindeln sich derzeit noch drüber, aber das geht nicht lange gut", meint sie. 

Entwicklung erst am Beginn

Landauer betreibt den einzigen Sozialmarkt in Innsbruck – und war zuvor schon ausgelastet. "Ich muss pausenlos Nahrungsmittel organisieren", erzählt sie. Vor allem Bauern aus der Umgebung helfen dabei, dass die Regale im Tiso nicht leer sind. Obst und Gemüse habe man damit vorerst ausreichend zur Verfügung, schwieriger wird es bei Fleischwaren: "Die Menschen aus der Ukraine sind wahre Fleischtiger", erzählt sie.

Der Verein Start up betreibt zehn Sozialmärkte (Foodpoints), neun in Wien und einen in Oberwart. Obmann-Stellvertreter Marius Aigner verzeichnet mittlerweile zwischen 500 und 1000 Neukunden jeden Monat. "Vor der Pandemie hatten wir 14.000 Mitglieder, die bei uns einkaufen. Aktuell sind es 53.000", berichtet er. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist noch gewährleistet, aber das werde immer schwieriger. Bis zu 15 Tonnen Lebensmittel brauche man jeden Tag – Tendenz steigend. 

Alle Beteiligten rechnen damit, dass sich die Situation in den nächsten Wochen weiter verschärfen wird. Auch bei den Schuldnerberatungen häufen sich die Anfragen. Experten gehen davon aus, dass heuer um bis zu 20 Prozent mehr Private in den Konkurs schlittern werden.