Pro

Noch sprechen die Zahlen nicht dafür, dass Österreich wieder komplett aufgesperrt werden kann. Doch ein schrittweises Öffnen von Schulen, aber auch von Geschäften, müsste schon bald wieder möglich sein. Dorothee von Laer, Professorin für Virologie

Ja, für eine vollständige Öffnung sind die aktuellen Fallzahlen und die Inzidenz zu hoch. Ein komplettes Aufmachen ist also nicht möglich, aber ein intelligentes Öffnen mit effizienten Maßnahmen ist aus virologischer Sicht jedenfalls vertretbar. Zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus ist es besonders effektiv, Veranstaltungen und größere Treffen von mehreren Personen weiterhin zu verbieten. Ausgangsbeschränkungen bringen wenig, das haben Studien gezeigt. Wichtig ist es, Menschenansammlungen und damit verbundene Clusterbildungen zu vermeiden. In den Schulen kann aus meiner Sichtweise eine differenzierte Öffnung erfolgen. Die derzeitige Situation, also dass Kinder in der Schule zur Betreuung sind, aber keinen Unterricht erhalten, ist jedenfalls unbefriedigend – sowohl epidemiologisch betrachtet als auch bildungspolitisch.

Was wir jetzt brauchen, sind kreative Lösungen. Studien haben gezeigt, dass vollständige Schulschließungen besonders effektiv sind. Wir haben inzwischen gelernt, dass Kinder sich anstecken und das Virus weitergeben, vorwiegend in der eigenen Altersgruppe. Gleichzeitig wissen wir, dass Kinder ein sehr geringes Risiko haben, einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung durchzumachen. Deshalb muss abgewogen werden – eine Teilöffnung der Schulen sollte möglich sein. Das bedeutet, auf kleine Gruppen achten, die Mobilität zu den Schulen so zu regeln, dass so wenig wie möglich öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden müssen. Insbesondere schwächeren Schülern sollte eine Teilnahme am Präsenzunterricht ermöglicht werden. Eine gute Lüftung ist wichtig, auch Masken helfen, und Infektionen müssen so früh wie möglich erkannt werden. Hier ist regelmäßiges Testen sinnvoll, insbesondere dann, wenn nach einem positiven Ergebnis die ganze Klasse rasch unter Quarantäne gestellt und damit die weitere Ausbreitung des Virus vermieden wird.

Darüber hinaus ist es derzeit nicht möglich, die Restaurants vollständig zu öffnen. Hier können die Masken nicht konsequent getragen werden, wodurch es in der Vergangenheit zu Clusterbildungen gekommen ist. Wenn wieder geöffnet wird, braucht es begleitende Maßnahmen, wie Obergrenzen für die Personenanzahl pro Quadratmeter und pro Tisch. Was jedoch bald wieder möglich sein sollte, ist, Geschäfte und Friseure wieder zu öffnen. Wenn beide Personen konsequent eine FFP2-Maske tragen, dann wäre eine Virusübertragung bei Einhaltung aller zusätzlichen Maßnahmen extrem unwahrscheinlich.

Kontra

90 Tage Zusperren sind genug. Die Lager sind voll, die Ware muss raus. Warten wir weiter, drohen Pleiten und Arbeitsplatzverlust. Der Handel hat für die Öffnung ab 8. Februar umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer

Die Virologen sind mit ihrem Wunsch nach einem raschen Sinken der Infektionszahlen nicht allein. Auch der Handel möchte das Infektionsgeschehen möglichst rasch zurückgedrängt sehen. Aus diesem Grund haben die Handelsbetriebe bereits viele Maßnahmen mitgetragen. Testen und sicheres Einkaufen stehen an erster Stelle. 72 Prozent der Österreicher wollen erste Öffnungsschritte am 8. Februar, und es ist klar, dass der Handel diese Öffnung braucht.

Die Stimmung kippt nicht nur in der Gesamtbevölkerung: So wie bereits 36 Prozent die Corona-Maßnahmen als „zu extrem“ bzw. „eher zu stark“ sehen und 40 Prozent an ihrer Effektivität zweifeln, ist auch im Handel die Geduld bald zu Ende. Vom Modehandel bis hin zum Buchhandel sind sämtliche Non-Food-Bereiche nun bereits zum dritten Mal wochenlang geschlossen. Bis 8. Februar kommen wir auf insgesamt 90 Schließtage.

Was das bedeutet, zeigt eine Analyse der Uni Linz: Demnach hat der stationäre Einzelhandel im ersten Lockdown rund 3,8 Milliarden Euro brutto verloren, im zweiten Lockdown kamen 2,2 Milliarden Umsatzentgang hinzu und im dritten Lockdown sind es bis 8. Februar rund 3,7 Milliarden. Das heißt, schon jetzt summieren sich die Umsatzverluste für den österreichischen Handel auf 9,7 Milliarden Euro. Sollte sich diese Summe noch erhöhen, könnte das für viele der derzeit behördlich geschlossenen Betriebe das Aus bedeuten – und enorme Kollateralschäden verursachen: Tausende Arbeitsplätze würden verschwinden, viele Insolvenzen wären vorprogrammiert.

Natürlich haben die Unternehmen durch Unterstützungsmaßnahmen der Regierung wichtige Hilfen erhalten. Umsatzersatz oder die Vorschüsse zum Fixkostenzuschuss sind hilfreich, die Betriebe sind lockdownbedingt aber am Ende ihrer Reserven und ihre Beschäftigten wollen wieder arbeiten.

Und: Die Unternehmen haben zahlreiche Vorbereitungen getroffen, um ein sicheres Aufsperren zu gewährleisten. Das reicht vom Tragen von FFP2-Masken bei Mitarbeitern und Kunden über Teststrategien bis hin zu Abstandsregeln von zwei Metern bzw. zehn Quadratmeter Platz pro Kunde. Dazu kommt: Clusterbildungen passieren anderswo, nicht im Handel. Das bestätigen sämtliche Statistiken. 90 Tage Zusperren sind genug. Die Lager sind voll, die Ware muss raus. Es muss Öffnungsschritte am 8. Februar geben. Den Lockdown verlängern und warten, bis eine hohe Durchimpfungsrate im Sommer oder erst danach erreicht ist, können wir nicht. So lange haben weder die Bevölkerung noch der Handel Zeit.