Angst? Ja, in der ersten Nacht in der Karlau habe er schon schlecht geschlafen, gesteht Hannes Kartnig. „Da haben sie mich in eine 15-Quadratmeter-Zelle gelegt mit einem Mörder, der seine Schwiegereltern in die Luft gesprengt hat, und einem Gangster, der schon 25 Jahre im Knast war und wegen einer Schießerei eingesessen ist“, erinnert sich der ehemalige Sturm-Graz-Präsident. „Ich habe die ganze Nacht die Hände schützend auf meinen Bauch gelegt, weil ich Angst hatte, dass einer durchdreht.“

Die Karlau – mit 67.500 Quadratmetern und 560 Haftplätzen drittgrößte Justizanstalt Österreichs. Hier sitzen (ausschließlich männliche) Häftlinge ein, die Strafzeiten zwischen drei Jahren und lebenslang ausgefasst haben. Dazu kommen geistig abnorme, aber zurechnungsfähige Rechtsbrecher, erklärt Josef Mock, Leiter der Justizanstalt. 43 Nationalitäten, unterschiedlichste Religionen, Kulturen, Sprachen. Eine eigene Welt.

Hannes Kartnig
Hannes Kartnig © Jürgen Fuchs

Kartnig erinnert sich an zwei „elegant gekleidete Inder mit Turban“, grimmig blickende Tschetschenen, aggressive Afghanen und Schwerverbrecher aus Österreich, die ihn lautstark begrüßen – „Servas Hannes!“ (der „Mon Cheri“-Täter aus Spitz/Donau) – oder wild beschimpfen – „Das bin ich vom Fußballplatz gewöhnt“ (Kartnig). Später, in der Justizanstalt Graz-Jakomini, wird der Ex-Fußballpräsident nicht nur auf einen Ex-Fußballer – Sanel Kuljic – als Zellengenossen treffen, sondern auch mit der Hackordnung im Knast Bekanntschaft machen: „Da hat einer provoziert und probiert, den ,Einser‘ zu spielen und gemeint, wir sollen sein Geschirr abwaschen. Ihn hab' ihn gefragt, ob er krank ist.“ – Die Harmlosvariante von Hierarchie-Rangeleien, die unter echten „Häf’nbrüdern“ schnell eskalieren.

Josef Mock, Leiter der Justizanstalt Karlau
Josef Mock, Leiter der Justizanstalt Karlau © Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

„Es ist ein Ort, an dem genau jene Leute zusammenkommen, die mit dem Gesetz Probleme haben – dass es da plötzlich friedlich und gesittet zugeht, ist nicht zu erwarten“, umschreibt Josef Mock bei einer „Politik Café“-Veranstaltung der Karl-Franzens-Universität Graz unlängst das Kleinklima hinter den Gefängnismauern. Gewalt unter Häftlingen, Attacken auf Wachpersonal, geplante Geiselnahmen und gescheiterte Ausbruchsversuche sind aktenkundig. Erst im Sommer 2017 hatten Beamte in einem Haftraum ein Loch in der Wand entdeckt. Der Mauerverputz war mit einem Löffel herausgeschabt worden.

Mock berichtet zudem von 180 bis 200 illegal eingeschleusten Handys, die pro Jahr im Gefängnis abgenommen werden. Viele finden als „Flugpostpaket“ über die Gefängnismauer den Weg ins Innere. „Wir haben aber auch schon beobachtet, dass mit Pfeil und Bogen von der gegenüberliegende Straßenseite Sachen direkt durch Anstaltsfenster geschossen wurden. „Die Leute haben ein unglaubliches Geschick entwickelt, mit Schnüren und Fischerhaken die Dinge dann in die Hafträume zu ziehen.“ Dazu kommen Brandstiftungen in Zellen. „Sie schlagen Fernseher ein und schlucken die Glasscherben oder Gabeln, nur um ins Krankenhaus überstellt zu werden“, erzählt Kartnig.

Im Februar 2012 war der Werbepolterer nach 43 Verhandlungstagen am Straflandesgericht Graz zunächst zu fünf Jahren unbedingter Haft und 6,6 Millionen Euro Geldstrafe verurteilt worden. Nach Untersuchungshaft, Freigang auf Kaution, einem medial hell ausgeleuchteten Prozess, Einsprüchen beim Höchstgericht, Urteilsaufhebungen, Wiederaufnahmen, Haftreduktionen und Zusatzverfahren bleiben am Ende vier Millionen Euro Finanzstrafe, zweieinhalb Jahre Haft (inklusive U-Haft, Fußfessel und als Freigänger), 1,3 Millionen Euro Anwaltskosten und ein Privatkonkurs. „Mein Glück war, dass meine Familie zu mir gestanden ist“, sagt Kartnig.

Ohne diesen haltgebenden Hintergrund bleibt die Resozialisierung von Haftentlassenen eine Herkulesaufgabe. Im Gefängnis bemüht man sich diesbezüglich, die Distanz zum Alltag draußen nicht zu groß werden zu lassen. Es gibt einen strengen Stundenplan: Die Zellen werden um halb sieben Uhr in der Früh aufgesperrt, dann rücken die Häftlinge zur Arbeit aus. Kartnig meldet sich einmal zum Putzen der im Knastjargon „Fuchsbau“ genannten Zelle, benannt nach Briefbombenattentäter Franz Fuchs, der hier untergebracht war.

„Wenn du plakatieren kannst, kannst Kloputzen auch. Arbeit ist ja etwas Schönes“, wehrt der Promi-Häftling verwunderte Bemerkungen der Beamten ab. Generell ist im Gefängnis jeder Gesunde verpflichtet zu arbeiten, erklärt Anstaltsleiter Mock. Die Beschäftigungsrate in der Karlau liegt derzeit bei rund 80 Prozent.
Es gibt eine Autowerkstatt, eine Schlosserei, eine Tischlerei, eine Schuhmacherei, eine Bäckerei, die 1400 Häftlinge in der Steiermark versorgt, eine Gärtnerei und eine eigene Berufsschule, in der man in neun Berufen Lehrabschlüsse machen kann. Auf vielmehr als vier bis fünf Stunden tägliche Beschäftigungszeit kommen die Häftlinge aber selten.

Der Garten in der Karlau
Der Garten in der Karlau © (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

In die Dienstzeit von acht Stunden fallen nämlich auch Arzt- und Therapiebesuche, Anwaltstermine und Einvernahmen durch Behörden. Und Besuche. Neben der Familie waren das bei Kartnig unter anderem Ex-Fußballteamchef Josef Hickersberger, der aktuelle Franco Foda und Sänger Roberto Blanco. „Die haben für die Häftlinge dann Autogramme schreiben müssen.“ Auch eine Art der Rückkehr in die Normalität. Nicht immer gelingt sie. Knapp ein Drittel der Entlassenen wird rückfällig. Anstaltsleiter Mock glaubt, einen Grund zu kennen: „Wir finden im Strafvollzug durchaus Umstände vor, dass Leute länger sitzen, als es notwendig wäre.“