Achtung! Einbringen von Alkohol, Rauschmitteln, Tabletten, Geld, Rauchwaren ist strengstens verboten“, steht auf der kleinen blauen Metalltüre am Eingang. Dahinter muss man in einem schmucklosen Garderobenraum auf einer Bierbank Platz nehmen. Eine Armlänge Abstand vom Nachbarn, die Sporttasche geöffnet zwischen die Wadln geklemmt, die Handflächen auf den Oberschenkeln. „Den Hund nicht angreifen und keine hektischen Bewegungen“, hallt der routinierte Befehlston eines Justizbeamten durch den Raum. Drogentest.

Nach einer Sicherheitsschleuse, wie man sie vom Flughafen kennt, wandern später Handy, Geld und Fotoapparat in einen Safe. Dafür schmückt jetzt ein giftgrünes Armband das Handgelenk. „Knastmarathon“ steht darauf. Klingt wie eine Verurteilung. Tatsächlich ist es die Starterlaubnis für besagten Langstreckenlauf. Die Konkurrenz: Verbrecher. „Ich habe einen Juwelier überfallen“, sagt M. Wie seine Insassenkollegen hat er in den vergangenen Wochen ein Trainingsprogramm und medizinische Tests absolvieren müssen, um grünes Licht für den Marathon zu bekommen.

24 Runden liegen jetzt vor ihm. 24 Mal geht es die sechs Meter hohe Betonmauer mit den dicken Stacheldrahtrollen entlang. 24 Mal am Zellentrakt vorbei, 24 Mal passiert man den Maschendraht-Käfig, aus dem eine Galerie Muskelberge mit nackten, dicht tätowierten Oberkörpern das Vorbeigehechel mit leeren Blicken beobachtet. Überwachungskameras an jeder Ecke.

„Das hier ist das Beste, das ich erlebt habe“, sagt Dimitri, ein Russe, der wegen Körperverletzung fünf Jahre Gefängniserfahrung gesammelt hat. Zusammen schnaufen wir nach dreieinhalb Stunden ins Ziel. Schulter an Schulter mit einem Knacki – eine seltsame Schicksalsgemeinschaft. Eine Stunde später schafft es Robertas, ein baumlanger Hüne mit tellergroßen Händen aus Litauen, der wegen Hehlerei einsitzt, und klatscht mit uns ab.  Nur M., der Juwelierräuber, auch er bleibt unter vier Stunden, hadert: „Morgen habe ich das erste Mal einen achtstündigen Freigang – und jetzt sind meine Beine im Eck!“