Gefangene werden am Pier 33 unweit der beliebten Fisherman’s Wharf keine gemacht. Wobei: Beliebt ist Pier 33 auch, rund 1,5 Millionen Menschen stellen sich hier in San Francisco Jahr für Jahr brav in Reih und Glied auf, um mit der Fähre nach Alcatraz zu kommen. Die Karten dafür sind meist Monate vorher ausverkauft. Wer eine ergattert, nähert sich im Schritttempo den strengen Ticket-Kontrolleuren, jetzt nur nicht aus der Reihe fallen. Eine Viertelstunde dauert die Überfahrt und eines will man partout vermeiden: Man will hier nicht den Eindruck erwecken, dass man in eine Art Disneyland fährt. Deshalb werden während der viertelstündigen Überfahrt schon Alcatraz-Geschichten über den Lautsprecher erzählt. Am besten lässt man sie, wie sie sind, man muss sie nicht ausschmücken, sie garantieren auch so Gänsehaut.

Das, was sich am Bug der Fähre ins Gesichtsfeld schiebt, ein grauer Felsbrocken, mit grauen Gebäuden darauf, das ist Alcatraz. Was in den Jahren 1934 bis 1963 dort passierte, ist das Bild, das wir mit dem Namen verbinden: das legendärste Hochsicherheitsgefängnis der Welt. Besucher gehen den gleichen Weg wie jene, die hier einsitzen mussten.
Begrüßt wird man mit einem Satz, der alles sagt: „Wer die Regeln bricht, kommt ins Gefängnis, wer die Gefängnisregeln bricht, der kommt nach Alcatraz.“ Man passiert die Gewandausgabe und latscht durch die Duschen – das einzige Gefängnis der USA mit Warmwasser. Keine Höflichkeitsgeste, sondern das Gegenteil von Abhärtung: Wer flüchten kann und schwimmen muss, hält nicht lange durch. Das Wasser ist eisig, die Strömungen tückisch.

Der Zellenblock in Alcatraz
Der Zellenblock in Alcatraz © Susanne Rakowitz

Der Zellenraum ist ein gigantisches Geflecht aus Eisenstäben. Das Oberlicht zieht sich wie die Wirbelsäule eines gigantischen Riesen durch den Raum. Insgesamt 1576 waren über die Jahre hier inhaftiert, mit 302 Insassen war man am Limit. Die Zellen: 1,52 mal 2,74 Meter groß, aber beängstigend klein. Pritsche, Toilette, Wandregal, ausklappbarer Tisch und Sessel, Zellentür. Dort verbrachten die Häftlinge wie Al Capone oder Machine Gun Kelly den größten Teil ihres Tages. Wer auch hier gegen die Regeln verstieß, musste in den Block D: 18 Tage Einzelhaft im Dunkeln.

Auch Al Capone war in Alcatraz inhaftiert
Auch Al Capone war in Alcatraz inhaftiert © (c) AP (SUSAN RAGAN)

Im Speisesaal hängt noch die Ankündigung für das Frühstück an jenem Tag im März 1963, an dem Alcatraz geschlossen wurde: Haferbrei, Eierspeise, Cornflakes, Toast und Kaffee. Nicht mehr zu sehen sind jene Behälter, die hier an der Decke angebracht waren: Tränengas für den Notfall. Eine andere Welt kann man nur erahnen: Bis zu 50 Kinder lebten mit ihren Eltern auf dem Eiland, es waren die Familien der Gefängniswärter.

Nach der Schließung hätte das Gefängnis zum Casino werden sollen, es fand sich kein Betreiber. Längst ist Alcatraz ein Tourismusmagnet. Aber nicht nur, es ist ein Paradies für Vögel: Die haben mit dem Ort kein Problem, im Gegenteil, sie können ja jederzeit ausfliegen.