Was ist bitte ein „Performative Male“? Man erkennt ihn so: Oft hat er Wuschelhaare, trägt eine Stofftasche mit Labubu-Anhänger, Kabel-Kopfhörer, in der einen Hand hält er einen Matcha Latte und mit der zweiten liest er noch ein Buch von Sally Rooney. Oder noch besser: Simone de Beauvoir. Seit ein paar Wochen trendet dieser Begriff in den sozialen Medien und mittlerweile gibt es sogar Contests, also ironisch gemeinte Wettbewerbe, bei denen Frauen den „best performative male“ küren.

Dass auch Männer Moden unterworfen sind, ist nicht neu. Doch dieser Trend hat viele Spitzfindigkeiten, die Frauen von spöttisch bis wütend auf ihn blicken lässt. Doch ehe wir zum psychologischen Überbau kommen, erst die Fashion-Fakten. Spätestens mit David Beckham kam der Begriff des Metrosexuellen in unseren Sprachgebrauch. Damit meinte man einen Mann, der Gesichtspflege für relevant hielt, Wert auf einen gepflegten Körper legte, aber eben nicht im klassischen „Starker Mann“-Jargon, sondern weicher, femininer. Und trotzdem heterosexuell. Später kamen die „Hipster“. Diese Männer orientierten sich ein bisschen an dem Holzfäller-Look, aber waren durchwegs in urbanen Gegenden zu Hause, hatten einen oft wahnwitzig gepflegten Bart, knoteten ihre langen Haare zu einem Dutt aka Man-Bun und fuhren ihre Kinder mit dem Lastenrad zur Schule. Die Hipster sind zeitlich die Vorläufer des „performative male“, weil auch sie sich bereits als weicher, zugänglicher und in ihrer Männlichkeit durchlässig gaben. Und heute gibt es männliche Role Models, wie den Musiker Harry Styles oder die Schauspieler Jacob Elordi und Pedro Pascal, die sich ganz bewusst gender-fluide geben, vor allem was Aussehen und ihre Kleidung betrifft. Der obligatorische Nagellack bei Männern passt da natürlich auch dazu. Von Pedro Pascal gibt es so viele Bilder, auf denen er Bücher liest, dass mittlerweile sogar schon Leselisten im Netz zirkulieren.

VICTORIA BECKHAM Posh Spice British Pop Singer Member of The Spice Girls With her husband DAVID BECKHAM Manchester Utd FC and England International Footballer At Capital FM s 3rd Party in the Park in aid of the Prince s Trust COMPULSORY CREDIT: VICTORIA BECKHAM Posh Spice British Pop Singer Member of The Spice Girls With her husband DAVID BECKHAM Manchester Utd FC and England International Footballer At Capital FM s 3rd Party in the Park in aid of the Prince s Trust COMPULSORY CREDIT: Starstock/Photoshot Photo UM 017519/H 09.07.2000, Credit:Photoshot / Avalon United Kingdom PUBLICATIONxNOTxINxUKxFRAxUSA Copyright: xPhotoshotx/xAvalonx 0506412395
David Beckham, ein Bild aus 2000. Er war einer der ersten Metrosexuellen“ © IMAGO/Photoshot / Avalon
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June 15, 2025, New York City, New York, USA: Contestants during the actor Pedro Pascal Look-a-Like contest ..The Son Del North Burritos restaurant  at 177 Orchard street  sponsored the contest after the Mr. Pascal declared on the YouTube channel, Hot Wings, that there was no good Mexican food in New York City. Two hundred people were in attendance on the street. New York City USA - ZUMAt442 20250615_znp_t442_042 Copyright: xBillyxTompkinsx
In New York fand im Juni ein „Pedro Pascal look alike contest“ statt. © IMAGO/Billy Tompkins

Männliche Variante des „Pick me Girls“

Was aber die „Performative Males“ wirklich beabsichtigen, umschreibt die Trendforscherin J‘Nae Phillips im britischen Guardian so: „Bei einem performativen Mann geht es weniger darum, wer er ist, als vielmehr darum, wie er seine Männlichkeit in der Öffentlichkeit – meist online – präsentiert. Er ist sich bewusst, dass Männlichkeit beobachtet, bewertet und konsumiert wird, und inszeniert sie deshalb.“ Und die Kunstlehrerin Guinevere Unterbrink ergänzt in der New York Times: „Es sind Männer, die versuchen, sich an das anzupassen, was ihrer Meinung nach feministische Frauen mögen.“ Kurz gesagt: Sie wollen, dass Frauen sie gut finden. Sie wollen, dass Frauen denken, sie wären progressiv, feministisch und daher ein besserer Mann, als all die Typen mit dem rückschrittlichen Gesellschaftsverständnis. Sie sind also die männliche Variante der „Pick me Girls“. Es tut mir leid, dass es hier nur so wimmelt vor lauter englischen Ausdrücken, aber die Welt ist global und die Trends kommen eben oft aus englischsprachigen Gesellschaften. Das „Pick me Girl“ ist jenes Mädchen, das „anders“ ist, das vielleicht Fußball mag, dieselbe Musik wie die Burschen hört und nicht ständig über Gefühle reden will. Dieses Mädchen passt sich an den Kosmos der jungen Männer an. Und die „Performative Males“ tun dasselbe mit dem weiblichen, progressiven Kosmos.

Satiriker Sebastian Hotz alias El Hotzo
Satiriker Sebastian Hotz alias El Hotzo
| Satiriker Sebastian Hotz alias El Hotzo nutzte sein Image als reflektierter Mann bei Frauen aus. © APA/dpa

Aber wo ist denn jetzt das Problem? Die ganze Aufmachung und der Eindruck, man würde es hier mit einem feinfühligen, belesenen, Schallplatten hörenden Mann zu tun haben, sei - so die Kritik von vielen Frauen auf Social Media - einfach nur ein Trick, um Sex zu kriegen. Aber ein Trick, der eben nicht so offensiv ist, wie ihn die Alpha-Männer propagieren. Man ködere die Frauen quasi mit einem ideologisch-aufgeladenen potemkinschen Dorf. Nur Fassade, nix dahinter. Und tatsächlich zeigt der Fall des deutschen Comedians und Satirikers Sebastian Hotz alias El Hotzo, dass es eine wirkungsvolle Masche ist. Über Jahre galt El Hotzo als geradezu „woker“ Mann, der sich für Frauenrechte einsetzt und seine Rolle als Mann kritisch reflektiert. Als Ende 2024 der Tweet seiner Ex-Freundin viral ging, in dem sie von negativen Erfahrungen in einer Beziehung sprach, zerbröselte das Image des netten Frauen-Verstehers. Obwohl die Frau gar nicht seinen Namen genannt hatte, ging El Hotzo in die Offensive und entschuldigte sich öffentlich. „Ich war in den letzten Jahren in Beziehungen wiederholt untreu und habe anschließend meine Taten in immer komplizierter werdenden Lügenkonstrukten vertuscht und die Glaubwürdigkeit meiner (Ex-)Partnerinnen diskreditiert“, schrieb er auf der Plattform X. Und weiter: „Ich habe dabei meine Position und mein Image als reflektierter Medienmann ausgenutzt und viele Menschen damit sehr verletzt.“

Persönlicher Nachsatz: Bei all der Häme und auch der berechtigten Kritik, dass manche „Performative Males“ Frauen manipulieren würden, ist es dennoch eine begrüßenswerte Idee, dass Männer sich andere Männlichkeitsbilder suchen und sich in ihrem Aussehen und Verhalten auch weicher präsentieren. Jetzt alle Männer, die sich bewusst gegen den toxischen Alpha-Mann auflehnen, in einen Topf voller hinterhältiger Manipulierer zu werfen, würde diesem doch vielfach ehrlichen Bestreben nicht gerecht werden.