In Zeiten eines bundesweiten Tiefpunkts des sozialen Wohnbaus sticht Klagenfurt beim Thema leistbares Wohnen positiv hervor. Der Projektstart für den neuen Stadtteil Harbach liegt allerdings schon über zehn Jahre zurück. Beim Spatenstich war die Rede von 950 Wohnungen für rund 3000 Menschen. Damals haben sich Stadt und Land, einige Wohnbaugenossenschaften (VKS, KFW, GWG Villach und Neue Heimat) mit der Diakonie de la Tour zu einer Projektpartnerschaft zusammengeschlossen. Nun ist die erste Baustufe besiedelt und an der zweiten wird nebenan gebaut. Es entstehen knapp 400 Wohnungen für rund 1000 Bewohner.
Kommen wir vielleicht zuerst zur Architektur: Den Wettbewerb 2015 gewann das Büro Wetschko Architekten. Dessen Konzept sieht einen Mix aus drei- und viergeschoßigen L-förmigen und sechsgeschoßigen Baukörpern mit quadratischem Grundriss vor. Das ergibt einen guten Kompromiss zwischen notwendiger Wohndichte und großzügigen Grünflächen.
Die L-Strukturen sind durch einen offenen, mit Glas überdachten Erschließungskern in zwei Schenkel geteilt. Diese Stiegenhäuser mit kleinen Plätzen und Brücken sollen, wenigstens im Sommer, als Begegnungs- und Aufenthaltsraum dienen. Dieses Konzept ermöglicht Wohneinheiten mit geringen Tiefen, was auch mehr natürliches Licht bedeutet. Passivhausstandards, gemeinschaftliche Dachterrassen, ein reduzierter Stellplatzschlüssel für Tiefgaragenplätze und vieles mehr runden den Eindruck zeitgemäßen Wohnbaus ab.
Vom Car-Sharing bis zur Sozialraumkoordinatorin
Was aber ist nun „smart“ an der „Smart City“? Das Car-Sharing-Modell, der 20-Minuten-Bustakt mit 20 Minuten Fahrzeit ins Zentrum, Trolley- und Fahrradverleih, „Smart-Home-Applikationen“ wie im Prospekt versprochen? Auch, aber die soziale Nachhaltigkeit ist wohl das eigentlich „smarte“ an dem Projekt Harbach. Die Diakonie mit Sitz im angrenzenden Schloss Harbach spielt hier die Schlüsselrolle.
Brigitte Mosberger, die Sozialraumkoordinatorin, ist für die Bewohnerinnen und Bewohner da. „Einsamkeit, veränderte Familienverhältnisse, darauf kann man reagieren. Ein gutes Netzwerk in der Nachbarschaft ist wichtig.“ Alle Bewohner sollten sich kennen und sich gegenseitig unterstützen. „Ich versuche, die Potenziale der Menschen zu aktivieren, alle können sich mit ihren Stärken einbringen.“ Mosberger vermittelt Babysitter, gemeinsames Kochen oder Einkaufsdienste. Der Gemeinschaftsraum wird gerne gebucht, das „Café Gernda“ gut besucht. „Ich bin keine Animateurin, sondern eher Echokammer.“ Die gelernte Soziologin bietet auch eine erste Entlastung, wenn es Ärger gibt und leistet aktive Sozialberatung.
Auf eine gute Nachbarschaft
Ich besuche Monika und ihren Sohn Michael, Mieter einer hellen Wohnung mit 74 m² im Hochhaus. Wenn sie Erdäpfelknödel kocht, bringt sie eine Portion auch einer über 90 Jahre alten Nachbarin, „die liebt das“. Und betreut in einer Notsituation auch schon einmal fünf Tage ein Kind aus der Nachbarschaft. Tochter Sara und Enkelin Anna Carina wohnen im „L“: Sie sind in der ruhigen Wohnung rundum glücklich, vermissen nur einen „Zebrastreifen hinüber zur Schule in der Diakonie“.
Gerlinde Peyker und Susanne Dörfler von der „Vorstädtischen Kleinsiedlung“ (VKS), die als eine der Non-Profit-Bauträgerinnen der ersten Baustufe fungiert, sagen, dass auch die Auswahl der Bewohner Voraussetzung für ein Funktionieren ist. Neben dem „first come, first serve“-Prinzip gibt es auch soziale Kriterien für eine Wohnungszuteilung wie etwa einen ausgewogenen Generationenmix.
Leistbar Wohnen und Leerstand
Für die drei Varianten Miete, Mietkauf und Eigentum sind die Preise etwa halb so hoch wie im privaten Wohnbau. „Für die 200 Wohnungen des zweiten Bauabschnitts gibt es daher schon rund 3000 Anmeldungen.“ Der Name der VKS und ihr Gründungsdatum 1932 lassen die Querverbindungen zur Siedlerbewegung und zum sozialen Wohnbau im „Roten Wien“ der Zwischenkriegszeit sichtbar werden. Leistbares Wohnen, damals wie heute gefragt.
Aber braucht es dazu eine neue Großanlage am Stadtrand, wenn in Klagenfurt, je nach Zählweise, etwa 6000 Wohnungen leer stehen, es noch einmal so viele wenig benutzte Zweitwohnsitze und viele innerstädtische Brachflächen gibt? Max Habenicht, Stadtrat von Klagenfurt (ÖVP) und zuständig für die „Smart City Strategie“ meint: „Hier müssen wir dazulernen und neue Wege beschreiten. Wir denken über alternative Widmungen z.B. von leerstehenden Gewerbeflächen nach, und überlegen, wie wir auch die Innenstadt für junge Familien als Wohnort attraktiv machen können.“ Das ist auch smart.