Der einstige Wassergraben um das Kastell Schönau ist heute von der Triesting abgeschnitten, abgestorbene Bäume liegen quer über Tümpeln. Zwischen den Zweigen des alten Baumbestands schimmert die schönbrunngelbe Fassade des Fachwerkbaus durch. Junge Menschen machen sich im Garten zu schaffen, Kinder aus dem Rudolf-Steiner-Kindergarten, der noch drei Räume des schlichten Gebäudes bespielt, toben durch den Park. Laufenten quaken im Gehege, Reste von Stacheldraht liegen herum.
Das Idyll hat schon unruhigere Zeiten erlebt. Christina Auer hat sich mit der Geschichte des Juwels intensiv beschäftigt, ehe sie im Vorjahr mit einem Dutzend Freunden und Gesinnungsgenossinnen eingezogen ist. Stolz führt sie mit Fabian Wildner den Gast durch den Urwald rund ums Haus und berichtet von der bewegten Vergangenheit der Anlage. „Wir sind noch dabei, die Zäune abzubauen“, sagt Christina.
Vor den Anthroposophen hatte nämlich die Cobra hier ihr erstes Ausbildungszentrum. Davor fanden Juden aus der Sowjetunion auf ihrer Flucht nach Israel hier Unterschlupf, erzählt Auer. Die letzte große Umgestaltung des Kastells, die unter dem Schutz des Denkmalamts steht, geht auf die Habsburger zurück.
Neues Kapitel einer spannenden Geschichte
Wie aber kommt die junge, unkonventionelle Wohngemeinschaft hierher? Ihre studentische WG in Wien hatte sich bewährt, erzählt Christina, gerne hätte die Gruppe so weitergelebt. Gemeinsam suchten sie nach Wegen, wie ihr Traum Wirklichkeit werden könnte. Durch Zufall stießen sie in Niederösterreich auf das Kastell Schönau, das zum Verkauf stand.
Verkäufer war der Rudolf-Steiner-Schulverein, der das mehrfach umgestaltete Gebäude aus dem 16. Jahrhundert zuletzt für seine Zwecke adaptiert hatte. Dass die jungen Leute und der Verein „habiTAT“, mit dem sie sich gemeinsam um das Objekt bemühten, das Gebäude dauerhaft dem Spekulationsmarkt entziehen wollten, gefiel den Verkäufern, wie auch die „soziokratische“ Lebensweise der Gruppe, die sich „Wohnstrudel“ nennt. So fand man Wege, den Preis von zwei Millionen Euro in Raten abzustatten.
Zinsgünstige Kleinkredite, die die Mieter selbst aufzutreiben haben, machen es möglich. „Lieber 1000 Freund*innen im Rücken als eine Bank im Nacken“ ist der kämpferische Leitspruch des Vereins „habiTAT“, mit dem sich die Gruppe zusammengetan hat. Nur 450.000 Euro kommen von einem klassischen Kreditinstitut. Ende Juli ist die nächste Rate fällig.
Mit Hilfe von Marlene Engelhorn
Im Gewölbe einer der Gemeinschaftsküchen erzählen Christina und Fabian von ihrer Lebensweise. Gemeinsam tragen alle die Last der Arbeiten im Haus, teilen Küchen-, Putz- und Gartendienste gerecht auf. Wer Unterstützung braucht, findet immer jemanden, der gerade Zeit hat und bereit ist, zu helfen. Ein gemeinsames Auto genügt der Gruppe, man pendelt mit dem Zug nach Wien zur Arbeit. Das basisdemokratisch organisierte Projekt „habiTAT“ schien dem Bürgerrat, den BASF-Erbin Marlene Engelhorn zur Verteilung von 25 Millionen aus ihrem Vermögen einberufen hat, interessant genug, es mit 150.000 Euro zu unterstützen.
Die WG Kastell Schönau ist noch nicht fertig. In einem Raum werkt ein junger Tischler, auch er ist Mieter. Drei Räume okkupiert der Steiner-Kindergarten, aber nicht mehr lange. Nach den nötigen Umbauarbeiten will die Gruppe „Wohnstrudel“ auch sie vermieten. Dann wird es ruhiger im Haus. „Wir sind ein relativ kinderloser Freundeskreis – noch“, sagt Christina. Immerhin hat Fabian zwei Kinder mitgebracht und ein weiteres wird bald einziehen.
Wer neu dazukommen will, muss einen detaillierten Fragebogen ausfüllen, die Bewohner entscheiden dann gemeinsam über Aufnahme oder Abweisung. Auch Probewohnen ist möglich, sogar erwünscht. Am Ende können dann die Probanden und die Gemeinschaft sagen, ob sie das Wagnis eingehen wollen. „Konfliktkultur ist wichtig“, sagt Christina. „Das ist nicht für jeden Menschen auf der Erde das perfekte Wohnszenario, aber für viele. Für uns ist das ein Glückstreffer gewesen.“