Vor dem Wohnprojekt, das Carl-Christoph und Nicole Gressel in Mauthen verwirklicht haben, kann man wirklich nur den Hut ziehen. Es ist mutig und visionär zugleich, und einen derartig gelungenen Umbau eines Stallgebäudes zu einem Wohnhaus bekommt man mit Sicherheit so schnell nirgends zu sehen.
Großer Minimalismus
Ein entscheidender Vorteil war natürlich, dass Carl Architekt ist und so selbst die Planung bis ins letzte Detail übernommen hat. „Das hat sicher eineinhalb Jahre gedauert“, sagt er. Aber, und das sei eben das Gute daran, wenn man selbst Architekt ist, „die eigene Stunde kostet nichts.“ Dazu kam, dass er und Nicole, sie arbeitet als selbstständige Physiotherapeutin und hat auch einen Master in Osteopathie, sich über die Gestaltung des zukünftigen Wohnraums immer einig waren. Beide bevorzugen klare Linien und klare Geometrien. Das zeigt sich auch daran, dass beim Umbau nur Eichenholz und Beton zum Einsatz kamen, dazu die Farben Schwarz und Weiß, die sich durch das gesamte Wohnhaus ziehen. „Wir sind beide minimalistisch angehaucht und das wollten wir umsetzen.“ Auch wenn man in Bezug auf Minimalismus oft den Trugschluss zieht, es damit einfacher zu haben. „In Wirklichkeit ist es eine Erschwernis, weil man sich immer neue Lösungen einfallen lassen muss.“
Das ehemalige Stallgebäude, in dem die beiden nun ihren Wohntraum verwirklicht haben, hat Carl bei einem Spaziergang durch den Ort entdeckt. Der Stall sei damals bereits leer gestanden und als die Besitzer vor Ort waren, hat Carl die Chance genützt und sein Interesse am Stall bekundet. Mit Erfolg, denn 2018 haben die Gressels das Gebäude gekauft. Im Mai 2021 folgte der Baubeginn, Fertigstellung war im Dezember 2022.
Und wenn man sich die Ausgangssituation vor Augen hält, ist es umso erstaunlicher, was die beiden in diesen eineinhalb Jahren geschafft haben. Denn viel mehr als die Außenwände sind da nicht vorhanden gewesen. Trotzdem war Carl vom Gebäude mit den dicken Steinwänden und den großen Öffnungen im oberen Tennenbereich vom ersten Augenblick an begeistert. „Deshalb war es auch unser Hauptziel, diesen Charakter zu erhalten.“ So kam etwa ein Vollwärmeschutz von außen überhaupt nicht infrage. „Sonst hätte ich den Stall gleich wegreißen und etwas Neues herstellen können.“ Kompromiss sei dann eine Dämmung von innen gewesen, was zwar bautechnisch einige Schwachstellen habe, aber in diesem Fall stand die Erhaltung der alten Bausubstanz im Vordergrund. Auch die großen Öffnungen im Tennenbereich wurden beibehalten und zeigen sich jetzt als riesige Fensterfronten. „Auch da wollten wir in der Größe bautechnisch nicht eingreifen, sondern es so lassen, wie es ursprünglich der Fall war.“
Spektakulärer Blick bis in die Dachspitze
Nachdem das äußere Erscheinungsbild fixiert war, ging es darum, den Innenbereich zu definieren: Jeweils 140 Quadratmeter offene Gestaltungsfläche auf zwei Ebenen standen zur Verfügung. „Dazu gibt es Skizzen und Entwurfsvarianten noch und nöcher“, erzählt Carl. Bis schließlich das klassische Muster Oberhand behielt: Gewohnt und gekocht wird im Erdgeschoß, geschlafen und gearbeitet im ersten Stock. Die Südseite wurde mit Glasfronten aufgerissen, um Licht ins Haus zu lassen und im Erdgeschoss zugleich den Zugang in den Gartenbereich zu ermöglichen.
Der Innenbereich des Erdgeschosses ist sozusagen um eine große „Feuerstelle“ in Form eines Kaminofens, der praktischerweise auch zum Brot- oder Pizzabacken genützt werden kann, angelegt. „Das entspricht dem Ursinn des Bauens“, erklärt Carl die Philosophie dahinter. „Denn früher bildete die Feuerstelle immer die Mitte, alle anderen Räumlichkeiten wurden dann um diesen Punkt herum angesiedelt. Daran haben wir uns orientiert.“ So bildet die Küche mit Küchenblock den öffentlichen Bereich, leicht abgeschottet durch den Kaminofen befindet sich dann das Wohnzimmer. Dieses Prinzip von „öffentlich“ und „privat“ wurde auch im ersten Stock beibehalten. Die Galerie mit Rundgang stellt also den öffentlichen Bereich dar, um den herum die privaten Räume – Bad-, Schlaf-, Arbeits- sowie das Kinderzimmer für Sohn Pirmin angelegt sind.
Das Besondere ist auch, dass der erste Stock oberhalb der Küche offen gelassen wurde und so ein spektakulärer Blick bis in die Dachspitze möglich ist. Theoretisch könnte man auch noch ein weiteres Stockwerk oberhalb der Galerie erschließen. Allerdings wäre dann der Ausblick in das Dachgebälk nicht mehr gegeben. Was wirklich schade wäre.