Geschenke, Christbaum und Krippe prägen heute das Weihnachtsbrauchtum – doch keines dieser Elemente reicht tatsächlich bis in das Mittelalter zurück. Ein Brauch, der damals eine zentrale Rolle spielte, ist weitgehend in Vergessenheit geraten: das Kindlwiegen. Es wurde bereits vor der berühmten Krippenfeier des Heiligen Franziskus erwähnt, die dieser 1223 im italienischen Greccio inszenierte.
In Maria Luggau haben Jasmin und Albert Tiefenbacher diesen alten Brauch vor vier Jahren wiederbelebt. Nicht wie einst in der Christnacht, sondern am „Unschuldigen Kindertag“ ziehen die Teilnehmer nach der traditionellen Familienandacht mit Kindersegnung in der Basilika mit Fackeln zur alten Brechelstube. Dort liegt – wie im Stall von Bethlehem – ein Jesuskindlein, flankiert von Maria und Josef, dargestellt von Miriam Tiefenbacher und Josef Strieder, die es mit Gesängen beruhigen. Besucherinnen und Besucher können das „Kindlein“ in die Arme nehmen und in der Hand wiegen. „Mit diesem Brauchtum wollen wir den Menschen einen Augenblick Weihnachten schenken“, sagt Albert Tiefenbacher, der das „Kindlwiegen“ mit Geschichten zur Weihnachtszeit noch spannender macht.
Wie tief dieser Brauch einst im Lesachtal verwurzelt war, beschreibt der Heimatforscher Thomas Tiefenbacher (1892–1970) in seinem Buch „Helena“. Er schildert, wie der Marfa-Toni im Jahr 1518 die Heilige Nacht in der Liesinger Pfarrkirche erlebte: Eine kunstvoll geschnitzte Wiege stand beim Kommuniongitter, darin ein in Stroh gehülltes hölzernes Christkind. Während der Mette traten die Gläubigen nach vorne, wiegten das Kind, küssten es und legten – wie die Hirten von Bethlehem – ihre Opfergaben in den Korb: Reisten (Flachs), Wolle, Eier und Selchfleisch.
Begleitet wurde der Opfergang von alten Wiegenliedern, von denen einige der Sprachforscher Matthias von Lexer (1830–1892) in seinem Kärntischen Wörterbuch festhielt. Eines der bekanntesten Wiegenlieder stammt aus dem Salzburger Land: „Still, still, still, weils Kindlein schlafen will.“
Christkind bekommt Ehrenplatz in der Stube
Überliefert ist auch, dass nach den Feiertagen jedes Jahr eine andere Bäuerin das Christkind mit nach Hause nahm, wo es einen Ehrenplatz in der Stube erhielt – bis es zur nächsten Weihnacht wieder in die Kirche zurückkehrte. Das „Kindlwiegen“ findet am 28. Dezember in Maria Luggau statt. Um 16.30 Uhr ist die Familienandacht in der Basilika, anschließend gibt es eine Fackelwanderung vom Kirchplatz zum „Kindlwiegen“ am Mühlenweg.