Nicht nur der Regen und der starke Wind sorgten Donnerstagabend für eine angespannte Stimmung im Kulturzentrum Obervellach, sondern auch die Präsentation der Variantenstudie zum geplanten Schwallausgleichskraftwerk Kolbnitz. Die Mölltaler zeigten sich dabei teilweise von ihrer robusten Seite. Die Diskussion um das Kraftwerksprojekt der Kelag spaltet die Region und scheint nun drei Lager zu bilden: Die Kelag als Projektwerber, die Bürgermeister gemeinsam mit Tourismus- und Fischereiverbänden, die sich als Vermittler verstehen, sowie die Bürgerinitiative (BI) „Retten wir die Möll“, die das Vorhaben ablehnt.
Was die Variantenstudie zeigt
Worum geht es konkret? Die Möll ist ein Fluss, dessen Wasser durch Wasserkraftwerke bereits stark genutzt wird. Die Maschinensätze der Kraftwerkgruppe Fragant starten und stoppen mehrmals am Tag. Bei großem Strombedarf starten die Maschinensätze, dadurch steigt der Wasserspiegel in der Möll schnell. Werden diese wieder abgeschaltet, sinkt der Wasserspiegel ebenso rasch. Der rasche Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser, der sogenannte „Schwall-Sunk“, belastet die Flussökologie und erschwert die Nutzungen wie Fischerei und Wassersport. Das geplante Schwallausgleichskraftwerk – es wird über 200 Millionen kosten – soll diese „Schwall-Sunk-Problematik“ lösen und damit die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllen. Doch der Eingriff in den Fluss und mögliche Einschränkungen für den Tourismus und andere Nutzer führen seit vielen Monaten zu hitzigen Debatten.
Die Donnerstagabend präsentierte Variantenstudie im Kulturzentrum Obervellach zeigt verschiedene technische Möglichkeiten auf, wie die Problematik vollständig entfernt werden könnte. Dabei werden ökologische, energiewirtschaftliche und rechtliche Aspekte genau beleuchtet. „Mein Job ist es nicht, die Entscheidung zu treffen, sondern eine Entscheidungsgrundlage aufzubereiten“, erklärte Öko-Hydrologe Franz Greimel, der die Studie betreut.
Die Bürgermeister der Gemeinden Mühldorf, Reißeck, Obervellach, Mallnitz, Flattach und Stall, der Fischereiverband und der Tourismusverband Mölltal haben eine unabhängige Variantenstudie zum Projekt in Auftrag gegeben. Greimel stellte drei Varianten gegenüber: eine sogenannte Null-Variante, bei der nichts verändert wird, sowie zwei bauliche Varianten – ein Überleitungssystem mit Kanal und eine Lösung mit Druckstollen. Die Studie zeige klar, dass der Schwallbetrieb ein massives Problem darstelle – sowohl für die Fischpopulation als auch für die Stabilität des gesamten Ökosystems. Die ökologisch sinnvollste Variante sei jene, die den Wasserstand ausgleiche und möglichst viel Wasser in der Möll belasse. Sie sei auch touristisch verträglicher, allerdings energiewirtschaftlich herausfordernder.
Varianten werden im Sommer eingereicht
Neben den Inhalten und Ergebnissen der Studie, präsentierten zwei Vertreter der Kelag, der Projektleiter Peter Macher-Lepuschütz und Christian Rupp, Leiter Erzeugung, und technische Services, aktuelle Projektinformationen. Macher-Lepuschütz zeigte sich offen für den Dialog. Er kündigte an, dass drei Varianten – darunter auch die Null-Variante – im Sommer bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingereicht werden: „Die Bürgermeister werden die Variantenstudie einreichen, dann liegt die Entscheidung bei der Behörde. Bei einer UVP sind verschiedene Akteure beteiligt, die Einfluss auf das Verfahren nehmen können. Dazu gehören die Behörden, die das Verfahren leiten, der Projektwerber, die betroffenen Gemeinden, Umweltorganisationen und die betroffene Bevölkerung, sprich die Bürgerinitiative.“
Genau diese Bevölkerung zeigte sich beim Informationsabend gespalten. Während einige die technische Aufarbeitung begrüßten, meldeten sich auch zahlreiche Gegner zu Wort, sie warnten vor den Folgen für die Natur und die Lebensqualität: „Was ist mit uns Mölltalern? Die Menschen werden in keiner Variante berücksichtigt. Von Anfang an wurde nicht mit den Eigentümern und Grundbesitzern des Mölltals geredet“, lautete der Tenor. Sorgen mache man sich unter anderem um die Land- und Forstwirtschaft, um gesundheitliche Auswirkungen sowie um die „Astenbäche“. Die BI sieht sich seit der Gründung als Sprachrohr für die Bevölkerung und werde „mit allen Mitteln gegen das Projekt kämpfen“.
Gegenwind der Bürgerinitiative
Zwischen den Fronten versuchen Bürgermeister, Tourismus- und Fischereiverbände zu vermitteln. Stefan Schupfer, Sprecher der Bürgermeister, betont: „Wir möchten das, was von der Möll noch übrig ist, möglichst naturnah erhalten. Auf keinen Fall wollen wir unser Tal verkaufen, aber wir wollen auch eine gemeinsame Lösung für alle finden.“ Ähnlich sieht das Gerhild Hartweger, Vorsitzende des Tourismusverbandes Mölltal. Sie weist darauf hin, dass der Tourismus im Mölltal nur funktioniert, wenn sich Einheimische, Wirtschaft und Gäste wohlfühlen. „Manche Unternehmen werden dadurch Einschränkungen haben, ja, aber wir müssen das als Chance für den Tourismus in der Region sehen und diese nutzen. Die Variantenstudie ist jetzt eine Anregung für die weitere Diskussion.“
„Das ist unser Todesurteil“
Man habe sich frühzeitig mit der Wasserrahmenrichtlinie auseinandergesetzt, Daten erhoben, Chancen analysiert – und wolle neue Angebote schaffen, etwa durch Saisonverlängerung oder neue Erlebnisräume abseits des Wassers. Der Tourismus in der Region soll sich nicht allein auf den Fluss konzentrieren, sondern mit Angeboten wie Rad-, Wander- und Skitourismus eine breite Basis haben. Diese Aussagen wurden jedoch von den Anwesenden kritisiert und mit „das sind keine Einschränkungen für den Tourismus, das ist unser Todesurteil“ kommentiert.
Die Vertreter der Fischerei, wie Herbert Ambrosch vom Fischereiverband Spittal, begrüßen die Pläne grundsätzlich: „Wir sind für die Fischer da. Jetzt haben wir die Chance, den Schwall zu nehmen, die Fischerei sieht das positiv.“ Ambrosch, der seit mehr als fünf Jahrzehnten an der Möll fischt, bemängelte die stark gestiegene Schwallbelastung und sieht in der Umstellung auf einen Rotationsbetrieb eine Chance für den Fluss und seine Fische. Energiewirtschaftlich sei das Kraftwerk Kolbnitz die bevorzugte Lösung laut Greimel, da sie eine effiziente Stromproduktion gewährleistet und gleichzeitig ökologische Ziele berücksichtigt. Die Kelag sieht sich dadurch bestätigt, dass der Ausgleich der starken Schwankungen der Möll durch den Stollen die Ökologie verbessert. Alternative Lösungen wie ein Ausgleichsbecken oder ein Laufkraftwerk mit E-Batteriespeicher wurden geprüft. Die Kelag sieht diese als wenig vorteilhaft an. Wassersport mit Kajak und Kanu sollen möglich bleiben, obwohl das Hochwasser-Rafting ohne den Schwall wegfallen würde. „Der Vorwurf, die Möll würde zu einem Rinnsal, ist entkräftet“, heißt es dazu vom Kelag-Projektleiter.
Weiterhin muss jedoch mit dem Gegenwind der BI gerechnet werden: „Wenn es keine Lösung mit einer Win-Win-Situation für alle geben wird, dann werdet ihr uns Mölltaler noch richtig kennenlernen. Dann werden wir vielleicht zur nächsten Hainburger Au“, droht eine Dame. Am Ende des Abends stand kein Konsens, sondern die Erkenntnis: Die Diskussion hat erst begonnen. Und sie wird hitzig bleiben.