Wieder ein Staatsverweigerer-Prozess, der am Dienstag Landesgericht Klagenfurt stattgefunden hat. Doch die Verhandlung unterschied sich von ähnlichen Verfahren. Das lag an der 80-seitigen Anklageschrift und am Angeklagten. Kein herumbrüllender Krawallbruder, der den Staat Österreich oder die Zuständigkeit des Gerichts infrage stellte und besondere Sicherheitsvorkehrungen nötige macht. Vor Dietmar Wassertheurer, Vorsitzender des Geschworenengerichts, saß ein 51-Jähriger im eleganten Anzug. Ruhig und mit viel Selbstkritik nahm der Mann zur Anklage Stellung.

"System der Selbstjustiz"

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Lavanttaler waren schwerwiegend: versuchte Erpressung und Nötigung sowie Anstiftung zum Amtsmissbrauch und Mitgliedschaft in staatsfeindlichen Verbindungen. "Es sind schwere Straftaten gegen Staat und Republik, wegen der sich der Angeklagte zu verantworten hat", erklärte der Staatsanwalt zu Beginn der Verhandlung.

"Er wollte ein System der Selbstjustiz etablieren." Dies mit elf Drohschreiben, die der Kärntner 2016 und 2017 an die Landespolizeidirektion, Landes- und Bezirksgerichte verschickt hat. In diesen drohte er Mitarbeitern mit Eintragungen in US-amerikanischen Schuldenregistern und in weiterer Folge mit der Eintreibung enormer Geldsummen. In einigen Fällen ging es um 30.000 Euro. Immer mit dem Ziel, sich Vorteile zu verschaffen, so der Staatsanwalt. Entweder um Strafen nicht bezahlen zu müssen oder um Vollstreckungen von Strafen zu verhindern.

"Das Leben ist nicht immer nur schwarz-weiß. Es gibt Abstufungen", entgegnete der Verteidiger des Kärntners. Es gelte zu klären, warum ein Mensch, der sich zuvor nie etwas zuschulden kommen ließ, plötzlich solche Briefe verschickt. "Mein Mandant war ein Topvermögensberater, war auf der halben Welt unterwegs. Er war und ist kein Staatsfeind."

"Nichts mehr hinterfragt"

Wie er dennoch als solcher angeklagt werden konnte, versuchte der 51-Jährige den Geschworenen zu beschreiben. Als er in die Finanzbranche gewechselt ist, habe er viele Ratschläge von einem Kollegen bekommen. "Er war mein Mentor über viele Jahre, mein Vertrauter", sagte der Angeklagte. "Alle seine Tipps haben mir geholfen, mich weitergebracht." Anfangs habe er Dinge noch hinterfragt, "irgendwann habe ich das nicht mehr getan", so der Mann. "Meine erste große Dummheit."

Beide haben damals für die Anlage-Beratungsfirma "E & S" gearbeitet. Doch das in Graz ansässige Unternehmen verkaufte nicht nur "Ertrag & Sicherheit", sondern auch falsche Goldbarren und falsche Versprechungen mit Investments in Hotels, Schulen und Ähnliches. Natürlich mit fetten Gewinnen für die Anleger. 2016 ging "E & S" in Konkurs: 1000 Kunden meldeten 21 Millionen Euro an Forderungen.

"Panik nach Millionenpleite"

Auch beim Kärntner wurden Opfer der Pleite vorstellig. "Sie machten mich für den Verlust ihres Geldes verantwortlich", sagte der Angeklagte. "Ich war in Panik, hatte Angst vor Schadenersatzforderungen." Der 51-Jährige wandte sich an "seinen Mentor", der wusste Rat und verwies ihn an einen Berater: "Der hat mir gesagt: keine Sorge, das machen wir."

Der Kärntner unterschrieb, laut seiner Schilderung, vorgedruckte Formulare: die angeklagten Drohschreiben an Behörden und eine Beitrittserklärung für den "Staatenbund Österreich". Seine zweite große Dummheit, so der 51-Jährige. Denn der hilfsbereite Berater gehörte zu der 2017 aufgeflogenen staatsfeindlichen Verbindung. Der Finanzberater wurde zu Staatenbund-Treffen mitgenommen, er unterschrieb Beitrittserklärungen anderer Staatenbündler. "Es war wie eine Sekte. Ich war diesen Leuten verfallen", sagt er fünf Jahre später vor Gericht.

50.000 Euro Kosten

Im Zuge der Ermittlungen gegen die mittlerweile wegen Hochverrats verurteilte "Staatenbund-Präsidentin" Monika Unger und ihre Gefolgsleute, kam der Kärntner ins Visier der Staatsanwaltschaft Graz und letztlich auf die Anklagebank. "Es war eine riesengroße Dummheit, die mich bisher schon mehr als 50.000 Euro gekostet hat", sagt der Mann.

Diese Dummheit hat dem Lavanttaler - wie schon vor Monaten seinem "Mentor" und dem "Berater" – eine Verurteilung eingebracht. Das Geschworenengericht befand den Mann am Dienstagnachmittag schuldig im Sinne der Anklage. Er wurde zu 15 Monaten bedingten Haft und einer Geldstrafe (300 Tagsätze zu je 20 Euro) verurteilt. Der 51-Jährige nahm das Urteil an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.