Langatmige, automotive PR-Schwurbeleien sind Dacia-Chef Denis le Vot fremd. Er spricht lieber Klartext. „Der Besitz eines Autos stand früher für Fortschritt. Heute wird der Besitz zu einer Herausforderung“, spielt er auf die steigenden Preise der Branche an.

Für le Vot ist es ein Heimspiel, hier in einer Halle in der Nähe des Pariser Privatflughafens. Dacia wurde 1999 vom Renault-Konzern übernommen. Anfangs überlegten die Franzosen, ob man die Marke überhaupt in Westeuropa auflegen solle. Alte, bewährte Renault-Technik wurde damals verbaut, so konnte man Milliarden an Entwicklungskosten sparen.

Dacia passte in die Geiz-ist-geil-Mentalität genauso wie in das sozial verträglichere Sparefroh-Credo. Und ist heute, mitten in der schwersten Krise dieses jungen Jahrhunderts, endgültig angekommen. In einer Nische, die von anderen europäischen Herstellern sträflich vernachlässigt wurde: Leistbare Autos mit adäquatem Qualitätsanspruch und akzeptabler Anmutung auf den Markt zu bringen. Selbst die Technik ist heute frisch und nicht altbacken.

Dacia-Chef Denis le Vot
Dacia-Chef Denis le Vot © CAPA Pictures

Le Vot steht auf einer einfachen Holzbühne. Ausgebleichte, zerknitterte Jeans, ein einfaches weißes Hemd, dunkles Sakko, er spricht frisch von der Leber weg. Es kommen Sätze, für die sich andere Automobilmanager einen neuen Job suchen müssten. „Die Elektrifizierung kostet, die Preise steigen von Tag zu Tag. Warum brauche ich zum Beispiel auch noch ein Auto mit drei Bildschirmen, wenn das Handy es besser kann?“, fragt er in die Runde – in Anspielung darauf, dass Dacia den Kunden die Implementierung des Handys als Infobasis im Auto schmackhaft macht, damit sie nicht für die Bildschirme im Auto zahlen, von denen die Mehrheit langsamer als das Handy arbeitet und die Grafik ein Graus ist.

Le Vot stellt außerdem ein neues Dacia-Logo vor, kettenähnlich, einprägsam, ebenso die Modellplanung bis 2025, inklusive einem neuen Duster und einem neuen Bigster, einem großen SUV. Viele frische Ideen sind eindringlich: Dacia, bisher als Plastik-Wüste beim Interieur verschrien, will auch dem Zeitgeist der Ökologie folgen. Es soll kein Leder geben, keine Chromeinsätze, mehr recyceltes Plastik, die Autos sollen außerdem leichter werden, Plug-in-Hybride sind fix.

Die Studie des kommenden Dacia-SUV Bigster
Die Studie des kommenden Dacia-SUV Bigster © DACIA

Die neue Dacia-App soll neue Vernetzungen möglich machen. Die Handykamera soll mit der App zum Beispiel den Fahrer und dessen Müdigkeit überwachen. Und weil die Marktforschung ergeben hat, dass Dacia-Kunden gerne in ihrer Freizeit im Auto schlafen, gibt es eine Box für den Kofferraum, die mit einer Matratze den Jogger zum Bett macht. Eine Kernbotschaft von le Vot wird viele in der Branche aufrütteln: Er will so lange wie möglich am Verbrenner festhalten, die alleinige Konzentration auf die E-Mobilität sei – sinngemäß – ein Risiko.

Denn der Automarkt offenbart durch die steigenden Preise eine Sollbruchstelle. Selbst die Kleinwagen, Eintrittskarte in die Mobilität, werden immer teurer und rar. Bei den Verbrennern wie bei den E-Autos. Und keiner hat ein Projekt wie Renault mit Dacia und einem breiten, günstigen Angebot realisiert. Volkswagen zum Beispiel musste zuletzt sogar die 20.000-Euro-Marke für das eigene kleine E-Auto korrigieren.

Die Studie Manifesto, ein Buggy mit praktischen Ideen
Die Studie Manifesto, ein Buggy mit praktischen Ideen © DACIA

Dazu kommt der stark steigende Strompreis, der die Kosten-Nutzen-Rechnung des E-Autos zusätzlich verschärft. Die Branchen-Argumentation, dass größere Autos wie SUV die Transformation zur E-Mobilität finanzieren, hat einen Haken: Wenn sich immer weniger Menschen den Einstieg in die Mobilität leisten können, fehlen die Autos auch im Service für die Händler – bei ohnehin gesunkenen Erträgen in der Servicierung eines E-Autos.

Für Dacia ist das alles kein Thema. Man bleibt in der Nische, die man selber „Bester Wert für das Geld“ nennt. Den Begriff Billigmarke mag le Vot nicht mehr hören. Stimmt, man musste in den letzten Jahren selbst die Preise anziehen. Beim Sandero ist man ab 10.990 Euro dabei, unter 10.000 Euro schafft es aktuell nicht einmal mehr Dacia. Elektrisch geht’s mit dem spartanischen Spring ab 22.190 Euro los. Trotzdem hat die Ära der sogenannten Billigautos für Dacia erst begonnen.