19 Prozent seines Wertes büßte der ATX im vergangenen Jahr ein, Spiegel global krisenhafter Entwicklungen. Sinkende Kurse sollten „durchschnittliche“ Anleger jedoch vom Einstieg an der Börse nicht abhalten. „Der Zeitpunkt jetzt ist ebenso gut wie jeder andere“, erklärt Christoph Boschan, der Chef der Wiener Börse. Kurzfristig seien Aktien zwar die volatilste Anlageform, langfristig jedoch die „sicherste und profitabelste“, so Boschan. „Aktien schlagen alles andere mindestens um das Doppelte“ – historisch betrachtet.

Der kleinere österreichische Markt schwanke dabei stärker als der deutsche Markt, letztlich strebe „alles zur Mitte“, so Boschan, das gelte auch für die durchschnittlichen Renditen. Auf die Kursentwicklung am Aktienmarkt hatte der Ukraine-Krieg in Österreich deutlich mehr Einfluss, meint der Aufsichtsratsvorsitzende der Wiener Börse, Wienerberger-CEO Heimo Scheuch. „Geopolitisch gesehen sitzen wir aus amerikanischer Sicht beinahe in Kiew.“

"Aktien sind derzeit günstig"

Heimische Aktien seien derzeit „außerordentlich günstig bewertet“, betont Boschan, das bedeute, die Aktienkurse seien im Verhältnis zu den Gewinnen günstig. Aktuelle Krisen seien in den Kursen eingepreist.

Noch ist Österreich kein Land der Aktionäre, laut Wiener Börse halte aber bereits jeder Vierte im Land Wertpapiere, diese seien „in der Mitte der Bevölkerung angekommen“, sagt Scheuch. „Wir sind hier auf gutem Weg, haben eine breitere Aktionärsbasis.“ Die vergleichsweise hohe Aktionärsquote sei das „Ergebnis einer bürgerlichen Selbstermächtigung“, erklärt Boschan, „und nicht des politischen Umfeldes. Da ist noch viel zu tun.“ Die Politik müsse entlastend eingreifen, so der Appell der Börsen-Chefs: Entlang der „Privatanleger-Reise“ gebe es eine „dramatische Steuereskalation“, sagt Boschan.

Rückkehr der Behaltefrist

Menschen würden aus ihrem versteuerten Arbeitseinkommen Mitunternehmer, also Aktionäre. Aus den besteuerten Gewinnen ausgeschüttete Dividenden werden erneut – diesmal mit der Kapitalertragssteuer – besteuert. Diese "Sanktionierung des Vermögensaufbaus der eigenen Pensionsvorsorge zurückzufahren" sei das "Gebot der Stunde“. Boschan wünscht sich die Wiedereinführung der Behaltefrist, also die Befreiung von der Kapitalertragssteuer nach einem Jahr, in dem eine Aktie gehalten wurde. Die Politik müsse Maßnahmen zur Förderung der Wertpapierkultur einleiten, so die Forderung. Vor dem Hintergrund der grünen Transformation steige die Bedeutung der Anlage weiter.

Dass Wertpapiere im Umfeld steigender Zinsen nun an Attraktivität verlieren, glaubt Scheuch nicht. „Dafür müsste das Zinsniveau schon bei über zehn Prozent liegen, denn real ist die Verzinsung weiterhin negativ.“ Die Verluste, die Sparer erleiden, seien derzeit „noch immer katastrophal“.

"Kern des Sozialstaates"

Jüngst kritisierte das Gewerkschafts-nahe Momentum-Institut, ATX-Konzerne würden heuer um 60 Prozent mehr Dividende als im Rekordjahr 2022 ausschütten. Scheuch spricht von „populistisch geführten Diskussionen“, in denen Unternehmensgewinne kritisch gesehen werden. „Jeder politische Entscheidungsträger sollte stolz sein auf jene Unternehmen, die Gewinne erzielen und so Werte und damit Wohlstand schaffen.“ Wirtschaftlich erfolgreiche private Unternehmen seien „der Kern des Sozialstaates“, meint Boschan.