Der allgemeine Kündigungs- und Entlassungsschutz im Arbeitsverfassungsgesetz schützt Beschäftigte vor Kündigungen, die aus verpönten Motiven erfolgen oder den Betroffenen voraussichtlich wesentliche soziale Nachteile bringen. Die verpönten Motive sind im Gesetz aufgezählt, wie Gert-Peter Reissner, Vorstand des Instituts für Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Karl-Franzens-Universität Graz, erklärt. "Was oft vorkommt, ist eine Vergeltungskündigung: Ich fordere zum Beispiel etwas gegenüber dem Vorgesetzten, oder ich verweigere eine Arbeit, zu der ich nicht verpflichtet bin – meinem Vorgesetzten reicht es und er kündigt mich", nennt Reissner Beispiele.

Änderungskündigung aus Rache?

In der Praxis taucht immer wieder die Frage auf, ob eine Änderungskündigung eine Vergeltungskündigung ist. Nehmen wir zum Beispiel eine Mitarbeiterin, der gesagt wird, dass sie gekündigt wird, wenn sie nicht mit weniger Lohn zufrieden ist oder auf ihre leitende Position verzichtet und als normale Mitarbeiterin weiterarbeitet. Reissner sagt dazu: "Der OGH entschied im Vorjahr, dass dies keine Vergeltungskündigung ist, denn, wenn sich jemand auf seine bestehende Vertragsposition beruft, hat er nichts geltend gemacht bzw. gefordert. Er hat nur gesagt, dass er keine Veränderung möchte."

Anders sei der Fall, wenn jemand berechtigte Forderungen hat und der Arbeitgeber das bereinigt, indem er eine Kündigung ausspricht. "Eine normale Änderungskündigung ist nur aus sozialen Gründen anfechtbar, nicht aus dem verbotenen Motiv der Vergeltungskündigung."

Sozialwidrigkeit

Für die Sozialwidrigkeit einer Kündigung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Arbeitnehmer muss mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt gewesen sein, durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen wesentliche Interessen seiner Person beeinträchtigt werden, und es dürfen keine betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe für die Kündigung vorliegen – sonst muss eine Interessensabwägung stattfinden.

Kündigung wegen Krankheit

Interessant ist laut Reissner eine aktuelle Entscheidung des OGH in Zusammenhang mit einer an sich sozialwidrigen Kündigung, die mit erhöhten Krankenständen begründet wird. "Grundsätzlich gilt bei chronischen Krankheiten: Wenn ein Sachverständigengutachten und die medizinische Prognose ergeben, dass in Zukunft mehr als ein Viertel der geplanten Arbeitszeit wegfallen, ist der Kündigungsgrund des Arbeitgebers sehr stark, weil ja kein Leistungsaustausch mehr stattfindet. Hier kann das Arbeitsrecht keinen Schutz mehr bieten", sagt Reissner. Eine aktuelle Entscheidung des OGH hat seiner Einschätzung nach aber verwässert, dass eine ärztliche Zukunftsprognose in dieser Frage maßgeblich sein muss, die Kündigung wurde in diesem Fall als gerechtfertigt erklärt, obwohl es objektiv keine negative Zukunftsprognose gab: "Massive Krankenstände, die Unplanbarkeit der Schichten, der Unmut der anderen Mitarbeiter, die Chronologie des Behandlungsverlaufs und eine auf hausärztlichem Attest beruhende Einschätzung der Betriebsärztin waren dem Gericht genug."

Die politische Partei als Weltanschauung?

Beim Begriff "individueller Kündigungsschutz" sind wir bei der neuesten Dimension des Kündigungsschutzes angekommen, wie der Experte betont. Hier geht es um das Antidiskriminierungsrecht. Wird auf eines der geschützten Personenmerkmale wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter, Behinderung, ethnische Herkunft oder Religion bzw. Weltanschauung Bezug genommen, ist die Kündigung von den Betroffenen anfechtbar.

"Das Modemerkmal der letzten Jahre ist die Weltanschauung", sagt Reissner auch im Hinblick auf neue Gerichtsentscheidungen. Für den Europäischen Gerichtshof sei Weltanschauung eine Reflexion auf die Religion. Aber fällt eine SPÖ- bzw. Partei-Mitgliedschaft auch darunter?
Der Oberste Gerichtshof hat sich unlängst mit dieser Frage auseinandergesetzt und kam zum Schluss: "Geht eine politische Anschauung über die Bezugnahme auf einzelne politische Fragen hinaus und stellt sich bei Gesamtbetrachtung gleich einer Weltanschauung dar, so kann sie unter den Diskriminierungsgrund der 'Weltanschauung' subsumiert werden. Erforderlich ist dafür ein gewisser Grad an Verbindlichkeit, Ernsthaftigkeit und Bedeutung der Überzeugung."

Der Einzelfall entscheidet

Die parteipolitische Zugehörigkeit kann demnach, muss aber nicht, Ausdruck einer Weltanschauung sein – es kommt auf den Einzelfall an.
"Mit der erfolgreichen Anfechtung der Kündigung wegen Diskriminierung bekommt man hier aber nicht, was man wollte (im OGH-Fall einen bestimmten Job), sondern nur Schadenersatz wegen Diskriminierung", gibt Reissner zu bedenken.