Am heutigen Donnerstag fällt der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil über die Zulässigkeit von sogenannten "Thermofenstern" in Dieselfahrzeugen. Eine Entscheidung, die richtungsweisend sein dürfte. Bei Thermofenstern handelt es sich um ein System, um die Abgasrückführung (AGR) in Dieselfahrzeugen auf eine bestimmte Außentemperatur zu beschränken. Sie standen im Mittelpunkt des Diesel-Skandals. Der EuGH soll auf Antrag dreier österreichischer Gerichte entscheiden, ob diese Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung zulässig ist.

Schon früher hatte der EuGH geurteilt, dass die langsame Verschmutzung ("Versottung") des Motors durch die Abgasreinigung kein Argument sei, um die vollständige Reinigung auf Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad zu beschränken. Volkswagen vertritt nun aber die Ansicht, dass Thermofenster notwendig sind, um den Motor zu schützen, einen sicheren Fahrbetrieb zu gewährleisten und Unfälle zu vermeiden. Es drohe die Gefahr, dass der Motor in einem ungünstigen Augenblick auf Notbetrieb umschalte und so einen Unfall auslöse.

Anwalt der Kläger hält dagegen

Eine Argumention, der der Anwalt Michael Poduschka, der Kläger vertritt, entgegenhält, dass dieser Notbetrieb auch durch zahlreiche andere Faktoren plötzlich - und allenfalls in einem ungünstigen Augenblick - ausgelöst werden könne. Mit diesem Argument müsse man letztlich die ganze Elektronik verbieten. Es wisse niemand, ob je einer der "von VW theoretisch konstruierten Unfälle" eingetreten sei. Laut Poduschka argumentiert der Oberste Gerichtshof (OGH) außerdem, dass in Österreich die Temperaturen acht Monate im Jahr außerhalb des Thermofensters lägen und eine Abschaltvorrichtung, die nur vier Monate im Jahr aktiv ist, keinen Sinn mache.

Ausgangspunkt für künftige Entscheidungen

Die Entscheidung des EuGH ergeht in einem Verfahren gegen Volkswagen. Konkret geht es um drei Klagen, die an österreichischen Gerichten - dem Obersten Gerichtshof, dem Landesgericht Klagenfurt sowie dem Landesgericht Eisenstadt - verhandelt wurden. Im Dezember 2020 wandten sich die Gerichte mit Fragen zur EU-Rechtmäßigkeit an den EuGH. Das heutige Urteil dient daher als Ausgangspunkt für die künftigen Entscheidungen der heimischen Gerichte. Rund 1300 Einzelverfahren und 12 Sammelverfahren des VKI sind derzeit an österreichischen Gerichten unterbrochen, um die Entscheidung des Gerichtshofs abzuwarten, schreibt Poduschka.

"Verstoßen unter Umständen gegen EU-Recht"

Ein Indiz für die heutige Entscheidung kann die im vergangenen September geäußerte Rechtsmeinung des Generalanwalts am EuGH, Athanasios Rantos, bieten. Er gelangte zu dem Schluss, dass Thermofenster als Abschalteinrichtungen unter Umständen gegen EU-Recht verstoßen könnten. Die EuGH-Richter müssen sich bei ihrem Urteil nicht an das Gutachten des Generalanwalts halten. Oft aber orientieren sie sich daran. Betroffen von der morgigen Entscheidung ist jedenfalls nicht nur Volkswagen, auch wenn diese in einem Verfahren gegen den Automobilriesen ergeht. Die Entscheidung hat Einfluss auf alle Hersteller von Dieselfahrzeugen, in denen Thermofenster zum Einsatz kommen.