Verbraucherschützer feiern das Urteil des EuGH gegen Abgas-Software bereits als Dieselgate 2.0 und sehen Nachholbedarf bei allen Autoherstellern, nicht nur bei VW. Denn eine Steuerung der Abgasreinigung ist praktisch in allen Autos verbaut, bekannt als sogenanntes Thermofenster.

So wird üblicherweise bei tiefen Temperaturen die Abgasreinigung von Diesel-Pkw direkt nach dem Start reduziert. "Ansonsten könnte Wasser im Motor kondensieren, was zu erheblichen Wartungsaufwand führt", erklärt Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz.

Auch wenn es in dem Urteil eigentlich um eine Abschalteinrichtung auf einem Prüfstand geht, sehen Verbraucherschützer darin auch ein allgemeines Verbot dieser Thermofenster. In der Branche wird das Urteil auch eher als ein reines VW-Urteil gesehen. "Jeder Hersteller verwendet unterschiedliche Thermofenster", erklärt Günther Kerle, Sprecher der österreichischen Automobilimporteure.

Weiterer Imageschaden

VW betont in einer ersten Reaktion, dass diese "industrieweiter Standard" seien und vom Gesetzgeber anerkannt. Selbst wenn diese nachträglich als unzulässig bewertet würden, gäbe es daher keine Ansprüche gegen den Konzern. Auch Kerle ist hier skeptisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gericht hier alle Thermofenster verbieten kann." Wenn überhaupt, bräuchte es für jeden Motor ein eigenes Urteil.

Selbst, wenn das Urteil keine unmittelbaren Folgen auf die Autohändler hat. Es ist ein weiterer Schlag für das Image des Dieselmotors. "Wir hatten früher 60 Prozent Marktanteil beim Diesel", sagt Kerle. Zuletzt waren es zwischen 35 und 40 Prozent. Vor allem für Langstreckenfahrer sei der Dieselmotor allerdings weiterhin die erste Wahl, betont Kerle. Zumal Dieselmotoren von heute mit jenen von vor fünf Jahren nur noch wenig gemein hätten.

Innovationsschub

Denn der Dieselskandal hat für einen Innovationsschub bei der Abgasreinigung gesorgt, erklärt TU-Professor Eichlseder. Eine Folge war die Einführung von Real-Drive-Emmission-Tests. Statt Testzyklen auf einem Prüfstand werden die Abgase nun im echten Straßenverkehr gemessen. "Egal wo, wann oder bei welchem Wetter: Das Auto darf die vorgeschriebenen Grenzwerte nicht überschreiten", sagt Eichlseder.

Beim Start würden zwar weiterhin mehr Abgase ausgestoßen. Sobald das Auto aber auf Betriebstemperatur sei, liegen die Emmissionen weit unter dem Grenzwert. Eichlseder hat sogar ausgerechnet, dass ein moderner Diesel-Pkw weniger Stickoxid ausstoßen würde, als ein E-Auto - zumindest im deutschen Strommix mit hohem Anteil an Kohlestrom.