1. Was hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt entschieden?
Der Gerichtshof sagt fünf Jahre nach Beginn des VW-Skandals, dass Autohersteller keine Abschalteinrichtung einbauen dürfen, die „systematisch“ Abgaswerte bei Zulassungstests schönt. Versehen mit der entscheidenden Ergänzung, dass auch die Verminderung von Verschleiß oder Verschmutzung des Motors eine solche Software nicht rechtfertigen könne.

2. Wie werden die Autobauer nun handeln?
Der auf Klagen im Dieselskandal spezialisierte deutsche Anwalt Claus Goldenstein meint zunächst sehr grundsätzlich, dass der EuGH-Spruch für nahezu alle Autohersteller relevant sei. Aus seiner Sicht könne Europas Automobilindustrie gar „die größte Rückrufwelle aller Zeiten“ bevorstehen. Tut die Industrie das nicht, würde Haltern durch Wertverlust ein Schaden entstehen. Diese könnten laut Goldenstein in Folge Schadenersatz durchsetzen. Brancheninsider wiederum vermuten, dass das Urteil ob seiner Tragweite „nicht exekutierbar“ sei. Jedenfalls, so die einhellige Meinung, sei es ein „weiterer Rückschlag“ für den Dieselmotor.

3. Was bedeutet das Urteil für die Autofahrer?
Klar ist, dass es in dieser Causa sehr viele Betroffene gibt. Europaweit wurden Abermillionen Fahrzeuge mit Abschalteinrichtungen zugelassen. Die Entscheidung ist vor allem für jene relevant, deren Dieselfahrzeug schon seit geraumer Zeit zugelassen ist. Für Neufahrzeuge gibt es modernere Testverfahren, etwa das 2017 eingeführte WLTP-Verfahren.

4. Was sagen Konsumentenschützer in Österreich zum Urteil?
Niemand konnte gestern genau beziffern, wie viele vom Urteil betroffene Dieselautos in Österreich fahren, doch wird die Zahl auf „mehrere Hunderttausend“ geschätzt. Österreichische Konsumentenschützer – AK, VKI und VSV/Kolba – teilen aber die Auffassung, dass das Urteil grundsätzlich alle Hersteller betreffe und es nun zu Rückrufen, Nachrüstungen und Schadenersatzleistungen kommen müsse. Dieser Forderung schlossen sich die Minister Rudolf Anschober und Leonore Gewessler (Grüne) an.

5. Wie kann man Ansprüche durchsetzen?
In Deutschland haben sich Kanzleien und Prozessfinanzierer auf Klagen spezialisiert und vertreten viele Tausend Mandanten. Klagen sind aber auch in Österreich möglich bzw. dort, wo das Auto gekauft wurde. Zum Beispiel verfolgt der VKI in Österreich 16 Sammelklagen gegen VW mit einem Gesamtstreitwert von 60 Millionen Euro (eingeklagt sind 20 Prozent des Pkw-Kaufpreises) und sieht sich durch das jüngste EuGH-Urteil bestärkt.

6. Was steckt eigentlich hinter dem umstrittenen „Thermofenster“?
Um den Ausstoß von Stickoxiden bei Dieselmotoren zu verringern, wird das Abgas nicht direkt aus dem Auspuff geblasen. Vermischt mit Harnstoff, wird es in den Motor zurückgeleitet und erneut verbrannt. Dafür braucht es eine gewisse Grundtemperatur. Vor allem beim Start und bei niedrigen Außentemperaturen wird die Abgasreinigung von Herstellern daher reduziert, um den Motor zu schützen. Anderenfalls würde Wasser im Motor kondensieren, verbunden mit großem Serviceaufwand. Reduzierte Abgasreinigung beim Start machen moderne Dieselmotoren aber wett, sobald sie auf Temperatur sind. Dann liegen die Emissionen weit unter den Grenzwerten. VW sieht das EuGH-Urteil nicht als generelle Bewertung zur Zulässigkeit von Thermofenstern. Tatsächlich sind Entscheidungen des EuGH zum Thermofenster ausständig.