Wirecard war einst der ganze Stolz der deutschen Wirtschaft, der es zwar nicht an exzellenten Maschinenbauern und Autofabrikanten mangelt, jedoch an Überfliegern im IT-Bereich. Der 52-jährige Wiener Markus Braun lieferte. Und wie: ein milliardenschweres Fintech made in Germany. Zwar stets mythenumrankt und etwas schmuddelig, aber weltweit expandierend und mit Top-Zahlen bilanzierend. Die Abwicklung elektronischer Überweisungen sollte den Zahlungsverkehr revolutionieren. Dass nicht existente Milliarden als Erträge verbucht wurden, davon will Braun nichts gewusst haben.

Geheimnisvoll und verschlossen gab sich der Sohn einer Lehrerin und eines Volkshochschuldirektors, der sich „stets für intelligenter gehalten hat als die anderen“, wie frühere Mitarbeiter berichteten. Die seltene Spezies eines DAX-CEO, der die Öffentlichkeit scheute. Ja, es war ihm geradezu ein Graus, im Mittelpunkt zu stehen.

Dem grellen Licht entkommt er aber nicht. Die Staatsanwaltschaft München legte nun eine Anklage wegen „gewerbsmäßigen Bandenbetrugs“ vor. Braun ist einer der zwei Hauptdarsteller des bereits filmisch verewigten Wirecard-Skandals, die Geschichte einer gigantischen Lüge. Schadenssumme: 3,1 Milliarden Euro.

Vom Kanzler in Think-Tank berufen

Sein Höhenflug fand selbst in der alten Heimat Bewunderer. Ex-Kanzler Sebastian Kurz holte den „erfolgreichen Manager“ in sein wirtschaftspolitisches Beratergremium.

Der seit 22. Juli 2020 ununterbrochen in U-Haft einsitzende frühere Konzernchef beteuert weiter seine Unschuld. Er sei der Betrogene, nicht der Betrüger.

Hat Braun den Milliardenbetrug tatsächlich nicht mitbekommen? Stolperte Braun über das Kleinklein des Tagesgeschäfts, während er sich großen Visionen hingab? Oder narrt er die Öffentlichkeit so wie einst Aktionäre? Der Prozess vor dem Landgericht München wird mit Spannung erwartet.

Noch keine Anklage wurde gegen Jan Marsalek erhoben. Der Österreicher, der als Strippenzieher gilt, ist weiter flüchtig.