Gegen Verunsicherung, aber für eine „faktenbasierte Diskussion“ tritt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung Österreich, ein. „Erdgas ist der wichtigste Energieträger der Industrie“, betont Knill. „Man sollte nicht glauben, dass sich Gasimporte so einfach und kurzfristig ersetzen lassen würden – und auch keine falsche Erwartungshaltung wecken.“ Ein Energielenkungsfall hätte für energieintensive Industrien wie Stahl, Zement oder Papier ein geordnetes Herunterfahren der Produktion zur Folge. Mit vielfältigen Kettenreaktionen: Stünde Österreichs Stahlindustrie still, hätte das gravierende Auswirkungen auf die gesamte Autoindustrie Europas.

Derzeit wird im Rahmen des Gasbevorratungsgesetzes überlegt, dass es für Industriekunden Verträge geben könnte, in denen spezifische Interessen berücksichtigt werden, bestätigt man in der E-Control. Unternehmen könnten festlegen, welche Mindestmenge keinesfalls verzichtbar sei, was auch eine Prämie kosten dürfte. Bei der restlichen Menge könnte es dann Einschränkungen geben.

Jede kleinste Erzeugungsreserve in Österreich nutzen

Bei der Suche nach Alternativen zu russischem Gas geht es schließlich um enorme Mengen. Gegenwärtig, so Knill, liegen die österreichischen Importe aus Russland bei 85 Terawattstunden. „Wenn man sich vor Augen führt, dass sich Österreich mit dem Erneuerbaren-Ausbaugesetz das Ziel gesetzt hat, bis 2030 rund 27 Terawattstunden zusätzliche Energieerzeugung über erneuerbare Energiequellen zu ermöglichen – und wie schwierig das schon in der Umsetzung ist – dann zeigt das die Relationen“, sagt Knill. Europaweit gehe es um mehr als 1.600 Terawattstunden russischen Gas-Import, was 70.000 Windkraftwerken entsprechen würde. Der auch für die IV tätige Ökonom Christian Helmenstein drängt darauf, jede kleinste Erzeugungsreserve in Österreich zu nutzen. Von der EU erwartet er ein Aufkaufen von LNG-Flüssiggas in großem Stil.

Die Gaspreise haben gestern in Europa einen neuen historischen Höchststand erreicht, erstmals wurde die Marke von 200 Euro pro Megawattstunde durchbrochen. Am niederländischen Handelspunkt TTF wurde die Megawattstunde Erdgas für 213,895 Euro gehandelt. Ende 2021 lag der Preis etwa bei 148 Euro je Megawattstunde. Im langjährigen Mittel bewegte er sich zwischen zehn und 25 Euro.

Knill: „Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen, dafür brauchen wir eine beherzte laufende Novelle des Gesetzes für Umweltverträglichkeitsprüfungen und die sofortige Anwendung des Standortentwicklungsgesetzes,“ so sein Appell. „Der Green Deal der EU, der wichtig ist, muss unter diesen Voraussetzungen neu bewertet werden.“ Auch das Thema Wasserstoff müsse man viel offensiver angehen.