Rund 30 Lkw, voll beladen mit Isolatoren, sollten sich ab April eigentlich in Richtung Österreich bewegen. Eigentlich. Denn daraus wird nichts. Die Weizer Knill-Gruppe hat für den Bau der 380-kV-Hochspannungsleitung, der sogenannten "Salzburg-Leitung", ein Bündel an Aufträgen erhalten, von Armaturen bis hin zu Isolatoren. Die Isolatoren wurden in der Ukraine gefertigt, sind an sich fertig und bereit für den Transport, "wir bekommen sie aber nicht mehr heraus und müssen jetzt kurzfristig Alternativen suchen, was nicht so einfach ist", sagt Eigentümer und Geschäftsführer Christian Knill.

Ein an sich fertiggestellter Auftrag für Energie-Komponenten, die von Österreich nach Belarus gehen sollten, könne ebenfalls nicht geliefert werden. Dennoch sei die wirtschaftliche Betroffenheit für das traditionsreiche Familienunternehmen sehr überschaubar, man sei aber mit durchaus emotionalen Schlaglichtern konfrontiert. So arbeiten im slowakischen Standort der Gruppe seit jeher auch viele Ukrainer, "einige, die im wehrfähigen Alter sind, haben sich zur Verteidigung in ihr Heimatland aufgemacht, andere bemühen sich darum, ihre Familie aus der Ukraine herauszubekommen", berichtet Knill. In der metalltechnischen Industrie, deren Verband FMTI er vorsitzt, sorgen insbesondere die weiteren Preisschübe bei der Energie für Kopfzerbrechen. "Der Gaspreis und die Versorgungslage sind derzeit das größte Risiko", so Knill.

Christian Knill
Christian Knill © (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)

"Wenn dann nichts nachkommt, wird es schwierig"

Massiv betroffen ist die Feldkirchner Firma Haslinger Stahlbau. 70 Prozent der Vormaterialien in Form von sogenannten Brammen, das sind Blöcke aus gegossenem Stahl, die für die Produktion von Blechen benötigt werden, kommen aus der Ukraine, beschreibt Firmenchef Arno Sorger. Geliefert werden sie aus dem Donbass im Südosten der Ukraine unter anderem nach Italien, wo der Stahl in Walzwerken zu Grobblechen in unterschiedlichsten Stärken ausgewalzt wird, und dann an Haslinger Stahlbau und andere geht. Für sechs bis acht Wochen reichen die Blechvorräte in den Lagern noch, sagt Sorger. "Wenn dann nichts nachkommt, wird es schwierig. Alternativen zur Ukraine gibt es kaum. Dann werden wir nicht mehr alles fertigen können. Und irgendwann wird es überhaupt problematisch." Der Lieferstopp bei Brammen betreffe alle, die mit Stahl zu tun hätten, bis hin zur Autoindustrie.

Produktionsstopp nicht ausgeschlossen

Krisensitzungen gehören dieser Tage auch bei Magna Steyr in Graz zur Tagesordnung. Rund ein Dutzend Zulieferer aus der Ukraine können ihre Produkte aufgrund des Krieges nicht liefern, darunter ein Kabelbaumhersteller. Intern wird bei Magna langsam klar, dass man nicht vorhersagen könne, wie und ob man nächste Woche überhaupt noch Autos wie den in Graz gefertigten 5er-BMW produzieren könne. Kurzarbeit oder deren Ausweitung sind die Folgen. Sogar ein Produktionsstopp steht im Raum – die nächsten zehn Tage sind in der weiteren Entwicklung entscheidend.

Das BMW-Werk in Steyr hat bereits die Notbremse gezogen. Die Ausfälle in der ukrainischen Zulieferindustrie führen zu Kurzarbeit. Ab morgen soll die Produktion überhaupt zum Stillstand kommen. Auch Steyr Automotive, das von Siegfried Wolf übernommene, frühere MAN-Werk in Steyr, muss bereits heute die Notbremse ziehen – auch hier fehlen Kabelbäume aus der Ukraine. So ergeht es der gesamten Autoindustrie. Der Volkswagenkonzern ist zum Beispiel mit mehreren Marken betroffen. Die von der Pandemie und der Chipkrise ohnehin schwer gebeutelte Autoindustrie wird mitten in einer Erholungsphase abrupt abgestoppt.

Weitreichende Folgen

Auch beim Filtersysteme-Spezialisten Mahle wird betont: „Die Auswirkungen des Ukrainekriegs sind europaweit überall massiv spürbar. Die Lieferketten sind aktuell bereits stark beeinträchtigt oder sogar unterbrochen.“ Die Folgen seien weitreichend, „bis zu ersten Produktionsstopps bei unseren Kunden auf dem Kontinent, und betreffen auch unser Unternehmen“. Bei Infineon in Villach heißt es: „Alle Lieferungen nach Russland wurden vorerst gestoppt. Und wir verfolgen eine Multi-Sourcing-Strategie, um mögliche Risiken für die Lieferfähigkeit zu reduzieren.“

"Das kann sich stündlich ändern"

„Die Lage ist nach wie vor sehr ungewiss“, heißt es indes von Richard Stralz, Vorstandsvorsitzender der Mayr-Melnhof Holz Holding AG. 300 Kilometer östlich von St. Petersburg betreibt das Unternehmen ein Sägewerk, knapp 460 Beschäftigte arbeiten am Standort Efimovskij. „Bereits Faktum ist jedoch“, sagt Stralz, dass „Transporte aus Russland sehr stark beeinträchtigt sind“. Für den Konzern bedeute das, dass „wir Produktionsanpassungen in unserem russischen Werk planen müssen.“ Der Zahlungsverkehr sei „aktuell noch möglich“. Dies könne sich laut Stralz aber „stündlich ändern“.

 Richard Stralz, Vorstandsvorsitzender der Mayr-Melnhof Holz Holding AG
Richard Stralz, Vorstandsvorsitzender der Mayr-Melnhof Holz Holding AG © (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

Krisenstäbe tagen

Der Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana ist sowohl in der Ukraine als auch in Russland mit Werken vertreten. Die Produktion in der Ukraine, an sich sind dort 550 Beschäftigte tätig, ist derzeit stillgelegt. „Wir haben einen Krisenstab aufgesetzt, um auf die weiteren Entwicklungen möglichst schnell reagieren zu können – natürlich mit Priorität für die Sicherheit und Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“