Herr Tojner, wie kommen Sie damit zurecht, dass Sie auf der einen Seite als einer der wenigen Österreicher einmal auf einem Cover des renommierten Forbes-Magazins waren und hier dauernd irgendwo Feuer am Dach haben?
MICHAEL TOJNER: Ich bin schwierige Situationen gewöhnt, aber die Vorverurteilung ist für einen Unternehmer nicht lustig. Ich versuche diese Themen, die belastend sind, aus dem normalen Geschäftsleben auszublenden. Das geht die meiste Zeit.

Angelehnt an die Überschrift eines Interviews, das Sie einmal gegeben haben: Wird Burgenlands Landeshauptmann Doskozil sich bei Ihnen entschuldigen müssen?
Auch seine Klage gegen Airbus hat im Endeffekt zu nichts geführt. Ich erwarte keine Entschuldigung, aber dass die Vorwürfe gegen mich schnell aufgeklärt werden können.

Wie sind Ihre Unternehmen davon berührt? Sie sind Investor...
... ich bin langfristig denkender Unternehmer, das ist ein großer Unterschied.

Ist die aktuelle Situation Sand im Getriebe, ein Problem?
Nein, aber frustrierend. Wenn man bedenkt, dass die Montana, als wir begonnen haben, 2000 Mitarbeiter hatte und ich heute Verantwortung für mehr als 10.000 Arbeitsplätze trage. Mitarbeiter hat. In den ersten Jahren habe ich mir keinen einzigen Euro Dividende ausbezahlt. Wenn man dann vorverurteilt und durch den Dreck gezogen wird, ist das belastend. Für meine Familie, mein Umfeld. Es ist rufschädigend, es bremst einen.

Ihr Burgenland-Problem, also die Ermittlungen rund um angeblich zum Nachteil des Landes erfolgte Immobiliendeals, wie lange wird Sie das noch beschäftigen?
Das wird wohl noch Jahre dauern, die Streitfrage ist hochkomplex. Ich kann die Vorwürfe nur entschieden zurückweisen.

Werden Sie sich bei Investitionen in Österreich zurückhalten?
Nein. Wir wollen gerade bei der Varta Innovation in Graz 30, 40 Mitarbeiter einstellen und dort intensive Materialforschung für die Batterieentwicklung betreiben. Wir werden dafür ein eigenes Forschungszentrum bauen und damit an die große Vergangenheit der Batterieforschung in Graz anschließen. Ich bin sehr stolz auf diesen Standort, weil Graz einen weltweit anerkannten Lehrstuhl für Batterieforschung hatte und wir deshalb vor 14 Jahren dort ein Gutachten haben machen lassen. Nachdem der legendäre Professor Besenhard 2006 verstarb, haben wir dann die Varta Innovation gegründet und mit der Grundlagenforschung klein begonnen. Jetzt sind es schon 19 MitarbeiterInnen und der Betrieb platzt aus allen Nähten. Man kann sagen, dass Graz einen bedeutenden Anteil am Aufblühen, am Wiedererstarken der Varta hat und haben wird. Wie werden dort etwa 50 Millionen Euro in die Forschung und Entwicklung investieren.

Das neue Forschungszentrum, wo wird das stehen?
Wir sondieren derzeit passende Standorte, aber es ist noch zu früh, um zu sagen, wo. Jedenfalls aber in Graz.

Worum wird es in Graz gehen?
Wir sind weltweit die Spezialisten, in die kleinsten Batterien die höchste Energiedichte hineinzupacken. Diese Mikrobatterien sind in Hörgeräten, Autoschlüsseln oder Kopfhörern. Unser großes Erfolgskonzept war jene Nische, die andere Hersteller aufgegeben haben. Die meinten, dass sich ein Weltmarktvolumen von zwei Milliarden Dollar nicht auszahlt. Wir haben sehr viel in Forschung und Entwicklung investiert und sind jetzt dabei, die Leistungsfähigkeit unserer kleinen Lithium-Ionen-Zellen auf große Formate zu übertragen, die Standard-Batteriezelle für zum Beispiel den Automotive-Bereich, für Motorräder oder Haushaltsgeräte.

Was könnten die Hürden sein?
Manche fragen sich, wie Varta den Innovationssprung schafft und ob das auch bei den großen Zellen klappt. Ich bin überzeugt, dass die Varta-Ingenieure es ihren Kollegen aus anderen Teilen der Welt schon zeigen werden. Viele bei uns sind seit 25 oder 30 Jahren in der Entwicklung mit dabei. Das ist nicht einfach nachzuholen. Fragen Sie doch bei namhaften Konzernen nach, wie es denen mit der eigenen Batterie-Entwicklung ergangen ist. In den meisten E-Autos sind heute Zellen aus Korea, Japan oder China, aber keine europäischen.

Die Übertragung von Mikrotechnik in viel größere Zellen ist technologisch eine Herausforderung. Wie groß ist das Risiko?
Das Risiko ist immer da, aber Varta steht solide da und wir haben von der EU und der deutschen Bundesregierung eine wichtige Förderung von 300 Millionen Euro bekommen. Wir selbst nehmen noch einmal so viel Geld in die Hand - ohne Fremdkapital. Wir gehen das sehr bedacht an und werden den Markt sicher nicht mit einem „me too“-Produkt betreten. Wir wollen der Apple der Batterietechnologie werden.

Wie lange, glauben Sie, wird es bis zur Serienreife dauern?
Es gibt schon Prototypen und Tests. Wir erwarten, dass wir 2023 in eine Serienfertigung gehen können. Dann können wir schnell sein und die Produktionskapazitäten ausbauen. Die Gruppe wird dann so stark sein, dass sie die nötigen Investitionen von rund zwei Milliarden Euro auch stemmen kann. Das setzt voraus, dass unsere Batterien deutlich besser sind als die der anderen. Wir wollen ganz klar dorthin, wo es um höchste Qualität und Sicherheit geht. Zu den Premiumherstellern, die die besten Batterien brauchen. Das ist ein globaler Wettlauf mit gewaltigen Investitionen.

Wenn eine neue Fabrik gebaut wird, dann am Varta-Stammsitz?
Sie wird wahrscheinlich in Deutschland sein.

Ist die Zeit für Zukäufe gut?
Varta wächst organisch. 2020 hat sie den Umsatz mehr als verdoppelt. Bei Aluflexpack schließen wir kleinere Zukäufe nicht aus, bei der Montana Aerospace erwarten wir, dass wir Zukäufe machen werden, um aus der Covid-Krise gestärkt heraus zu starten.

Varta hat 2020 auch ein Unternehmen dazu gekauft.
Von den 260 Prozent entfällt nur ein Drittel auf den Zukauf. So ein Wachstum im Industriebereich hinzulegen, darauf bin ich sehr stolz.