Das Schicksal des heimischen Fremdenverkehrs liegt in den Händen eines kernigen Bayern namens Markus Söder. Der Ministerpräsident, durch sein entschlossenes Handeln in der Coronakrise Deutschlands Mann der Stunde mit Kanzler-Potenzial, wird als Schrankenwärter zwischen den beiden Ländern jene Entscheidung treffen, von der Wohl und Wehe des narkotisierten Tourismus abhängt: die Frage, wann sich der Grenzbalken zum Nachbarland wieder öffnet.

Bleibt er zu und die Deutschen als Gästeschicht aus, hätte dies für den Sommer verheerende Folgen: „Dann wäre der Fremdenverkehr tot“, sagt der renommierte Tourismusforscher Andreas Reiter. Zwei Drittel der Betriebe - vor allem in Westösterreich - könnten das Ausbleiben der wichtigsten Zielgruppe nicht überleben.

Heimische Gäste reichen nicht aus

Auch der Inlandsgast, und sei er nach dem Hausarrest noch so urlaubsfreudig, könnte das Leck nicht ausgleichen. Sein Anteil ist relevant, macht aber nur 15 Prozent der Umsätze aus. Zählt man die Deutschen hingegen dazu, steigert sich diese Quote auf 70 Prozent. Die Grenzöffnung hat somit den Charakter einer Lebensversicherung für die Branche.

Die Achse zwischen dem Kanzleramt in Wien und der Staatskanzlei in München ist zwar strapazfähig wie das persönliche Verhältnis zwischen Söder und Sebastian Kurz. Doch selbst die regelmäßigen Telefonate zwischen beiden sind kein Garant, dass sich die hiesigen Hoffnungen erfüllen. Die Coronakrise ist die Ersatzbühne, auf der die Merkel-Nachfolge in der Union vorentschieden wird. Söder gibt den harten Gegenspieler zum weichen Mitfavoriten Laschet. Ein Festhalten an der geschlossenen Grenze stärkt Söders Markenprofil und schwächt das Lobbying der Österreicher.

Weniger Risiko, mehr Reisen?

Letztere versuchen, mit den sinkenden Neuinfektionen zu punkten. „Sie werden bald nur noch zweistellig sein“, frohlockt ein Insider, „wir sind drauf und dran, die Deutschen zu überholen.“ Das würde man aus taktischen Gründen nicht hochhängen, aber die entschärfte Risikolage wäre, so das Kalkül, ein Stimulans für die Reiselust der Nachbarn. Österreich wäre dann nicht mehr Durchhaus, sondern Endstation Sehnsucht. Nur das stigmatisierte Tirol hätte Mühe, sich vom Brandmal zu befreien. Orte wie Ischgl müssten sich neu erfinden.

Hoffen auf die Bilder im Kopf

Für die Öffnung der Hotels ab Mitte Mai werden in der Regierung bereits Szenarien ausgelotet. Die Palette reicht von Testungen und Vorrang für Familien bis zum Frühstück in Zeitzonen. Piano-Abende an der Hotelbar stünden auf dem Index. Play it again next year.

Ob der Überlebenskampf um den deutschen Gast am Ende erfolgreich ist, so Andreas Reiter, werde vom kommunikativen Geschick der Branche abhängen: „Entscheidend wird sein, starke Bilder aufzubauen, Bilder von Qualität, heiler Natur und der Möglichkeit, den ersehnten Urlaub unbedrängt und abseits großer Menschenmengen zu genießen.“