Ein Schriftstück, datiert mit 31. März, sorgt derzeit für Verunsicherung in den ÖBB. Es ist gezeichnet von ÖBB-Vorstandschef Andreas Matthä und Vorstandsdirektor Arnold Schiefer. Es betrifft die "Kündigung der Vereinbarung, abgeschlossen zwischen dem Vorstand der ÖBB Holding AG und der Konzernvertretung über die Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 19. März 2020". Weiter heißt es: "Aufgrund der aktuellen Situation und der Unklarheit über das Ausmaß der möglichen Vereinbarung von Kurzarbeit im ÖBB-Konzern wird die gegenständliche Vereinbarung unter Einhaltung der vereinbarten einmonatigen Frist zum 30. 4. 2020 beendet."

Dann folgt jener Satz, der viele ÖBB-Bedienstete in Unruhe versetzt: "Ab 1. 5. 2020 können somit auch betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden."

ÖBB: Kein Kommentar

Auf Anfrage der Kleinen Zeitung, ob und in welchem Ausmaß Kündigungen geplant seien, wollen die ÖBB dazu derzeit keine Stellungnahme abgeben, um "laufende Gespräche nicht zu beeinträchtigen", wie es heißt. Das Schreiben kursiert in den sozialen Netzwerken.

Den ÖBB ist der Personenverkehr fast völlig weggebrochen und auch der Güterverkehr ist stark zurückgegangen. Am 27. März hatte Matthä in einem Interview mit der Kleinen Zeitung erklärt: Es werde gerade an Plänen gearbeitet, in welchen Bereichen Mitarbeiter für Kurzarbeit angemeldet werden müssen. Das könnte ab April rund ein Drittel der 35.000-köpfigen Belegschaft in Österreich treffen - im Bus- und Cargobereich, in der Instandhaltung, der Infrastruktur und im Verschub.

„Wir erleiden jeden Werktag einen Umsatzverlust von zehn Millionen Euro“, sagte Matthä. Beim Personenverkehr habe die Bahn einen Passagierrückgang in Richtung 90 Prozent. Im maritimen Cargogeschäft gebe es ein Minus von 50 Prozent. National spüren die ÖBB die Kurzarbeit bei der Voestalpine und die Stilllegung der Autoproduktion in ganz Europa massiv. Auch beim Postbus seien die Fahrgastzahlen stark gesunken. 

Streit um Beamte

Bis jetzt sei der Antrag der ÖBB auf Kurzarbeit nicht eingelangt, erklärte die Gewerkschaft Vida am Donnerstag der Kleinen Zeitung.

Über Differenzen bei der Kurzarbeit im Bahnkonzern berichtete auch der "Kurier": Demnach fordern Belegschaftsvertreter, dass beamtete Mitarbeiter von der Maßnahme ausgenommen würden, da sie ohnehin unkündbar und damit nicht von einer Kündigung bedroht sein könnten. Auch könnten Beamte aus Sicht des Betriebsrats nicht schlechtergestellt werden und müssten daher hundert Prozent ihres Gehaltes bekommen.

Dieser interne Konflikt um die Kurzarbeit könnte also der Hintergrund sein, warum ASVG-Angestellte um ihren Arbeitsplatz zittern. Laut "Kurier" habe ein Rechtsgutachten der ÖBB ergeben, dass die rund 21.000 Bahnbeamten zwar nicht gekündigt werden könnten, aber dennoch keine pragmatisierten Bundesbeamten seien. Auch seien in der Krise alle Mitarbeiter gleichzustellen. Daher wolle das ÖBB-Management, dass eine Kurzarbeitszeitregelung für alle gelte.

Hilferuf an die EU

Die ÖBB und die private Westbahn haben am Mittwoch in einer gemeinsamen Aussendung die Notwendigkeit einer raschen Unterstützung in Zeiten der Corona-Pandemie untermauert. Gemeinsam mit europäischen Verbänden im Eisenbahnsektor wandte man sich auch an die EU.

In einem Brief der europäischen Interessenvertretungen im Bahnsektor heißt es: "Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen sicherstellen, dass Unternehmen im Schienenverkehr schnell und unbürokratisch Unterstützung bekommen, um rasch wieder den Vollbetrieb aufnehmen zu können. Dazu zählen Maßnahmen wie eine temporäre Anpassung bei der Vergabe von Staatshilfe, um unmittelbar im Zusammenhang mit der Verbreitung des Coronavirus stehende Schäden kompensieren zu können sowie Steuererleichterungen und Finanzhilfen, die die kurzfristige Liquidität im Unternehmen sichern."