Nach fünf Jahren endet im Juni wie stets geplant ihr Vorstandsmandat bei Leder&Schuh. Sie wurden einst als Sanierer an Bord geholt, ist es da nicht schade, wenn man das Schiff wieder auf Kurs gebracht hat – und dann geht?
WERNER WEBER: Ich sehe es umgekehrt. Ich bin froh, weil das zeigt, dass etwas gelungen ist. Die Aufgabe, für die ich geholt wurde, kann ich als erledigt betrachten, das gibt mir ein gutes Gefühl. Mein Herz schlägt nun einmal eher für die Themen der Veränderung, für die Restrukturierung. Und dahingehend gibt es bei Leder & Schuh in Graz jetzt schlicht nichts mehr zu tun. Ich bin bis 30. Juni aber noch mit Leib und Seele dabei.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Weichenstellungen?
Für mich standen die notwendigen Veränderungen und Restrukturierungen, die gerade in den ersten zwei, zweieinhalb Jahren erfolgt sind, immer unter der Überschrift Konzentration. Wir wussten: Das, was wir richtig gut können, das sind die Vertriebslinien Humanic und Shoe4you. Darauf haben wir die volle Energie, die im Haus zur Verfügung ist, konzentriert. Zuvor mussten wir uns auch von Dingen trennen, das ist immer auch mit Schmerzen verbunden. Aber mit Beginn 2017 lag der Fokus darauf, aus diesen Maßnahmen, die auch schmerzvoll waren, wieder Potenzial zu schöpfen.

Wo macht sich das bemerkbar?
Es ist gut gelungen, diese Schienen auch komplementär zu positionieren. Humanic eher im gehobenen Segment mit Fokus Einkaufsstraße und Einkaufscenter und Shoe4you im mittelpreisigen Segment und eher Fachmarkt-orientiert. Es gibt eine sauber abgegrenzte Struktur, aber auch die Möglichkeit Gemeinsamkeiten zu nutzen, etwa in der Verwaltung oder bei Lieferanten. Die Frage, wie man jetzt auch noch das dritte, vierte oder fünfte Baby bedient und damit der mangelnde Fokus, sind damit Geschichte.

Welche?
Die Idee, mit eigenen Marken zu operieren gibt’s seit Ewigkeiten, die gehört zur DNA des Hauses. Was wir aber wieder gemacht haben, den Mut zu haben, sich auch in diesem Bereich auf etwas zu konzentrieren, Dinge wegzulassen und andere zu stärken. Wir haben Marken wie Rowland Brothers im Herrenbereich auf Podest gehoben oder ähnlich im Damenbereich Kate Grey. Die sind uns besonders wichtig, denen geben wir auch mehr Mittel und Ressourcen, davon erwarten wir auch mehr.
Wo liegen die Schwerpunkte der Investitionen?
Rund drei Viertel gehen heute ins stationäre Geschäft, neue Filialen, Renovierungen usw. Aber schon ein Viertel geht in die Bereiche IT und Digitalisierung – in diese Richtung wird sich das in Zukunft noch etwas stärker verschieben.

Wie ist das Gesamtjahr 2018 gelaufen?
Die Hauptversammlung ist Ende April, ich möchte da nicht mit Zahlen vorgreifen. Wir haben uns aber mehr als wacker geschlagen, wir sind mit der Entwicklung eingedenk des schwierigen Umfelds zufrieden, es ist mehr als passabel gelaufen. Wir sind wieder mit einem vernünftigen Gewinn ausgestiegen.

Die Mitarbeiterzahl ist im Zuge des Umbaus und der Verkäufe von mehr als 3000 auf 2300 gesunken. Wie sieht die weitere Entwicklung aus?
Es hat Reduktionen gegeben, die mit der gesamten Neuausrichtung wie dem Verkauf der Shoe-4You-Aktivitäten in Deutschland einhergegangen sind, aber das ist auch ein Zustand, den wir bereits Ende 2016 hergestellt haben. Es ist damit gelungen, ein Handelsunternehmen mit einer Zentrale in Graz, das entsprechend unternehmerisch unabhängig agieren kann, zu bewahren. Es gibt nicht so viele Handelsunternehmen, wo alle wichtigen Entscheidungen in Österreich getroffen werden. Das ist schon etwas, was auch die Mitarbeiter schätzen. Wir sind massiv bemüht, in den Bereichen Digitalisierung, IT und Social Media neue Mitarbeiter zu finden, weil wir diese Segmente massiv ausbauen.

Das sind Fachkräfte, die derzeit in vielen Branchen dringend benötigt werden. Wie hebt man sich da ab?
Von 190 Beschäftigten in der Zentrale in Graz sind in diesen Bereichen bereits 30 Prozent unserer Leute tätig. Das ist schon eine relevante Anzahl und das wird auch noch mehr. In diesem Segment gibt es natürlich auch einen Wettbewerb, da steht die Digitalisierung eines Handelskonzerns für einen jungen Menschen durchaus in Konkurrenz zu Themen wie selbstfahrende Autos – wir wollen da auch als attraktive Option wahrgenommen werden. Es ist spannend, einen Einzelhändler zu digitalisieren, aus unserer Sicht mindestens so spannend, wie autonome Fahrzeuge.

Stichwort Digitalisierung. Wo steht das Unternehmen?
Wir sind der Überzeugung, dass das Thema der Verzahnung der digitalen und der stationären Welt auch mit Personalisierung einhergeht. Ich muss imstande sein, meinen Kunden persönlich zu kennen. Wir haben ein sehr modernes Verständnis einer Kundenkarte, eine App, die gewisse Angebote für den Kunden liefert, etwa die Historie aller Schuheinkäufe, falls es einmal eine Reklamation gibt. Da sind wir gut vorangekommen, wir haben aktuell mehr als 500.000 Mitglieder in Österreich.

Wo wird diese Personalisierung spürbar?
Wir haben die Möglichkeit, auf einer personalisierten Ebene mit den Kunden zu arbeiten. Wir haben einen Test begonnen, das ist ein digitales Helferlein in der Filiale, wir nennen sie intern Sissi. Mittlerweile haben wir unsere Humanic-Mitarbeiter mit 1500 iPhones ausgestattet, jeder hat so ein Gerät und kann beim Einkaufsvorgang jederzeit Informationen zu Produkten, insbesondere aber zur Verfügbarkeit von Größen geben. Wenn es eine Größe gerade nicht in der Filiale gibt, liefern wir den Schuh umgehen nach Hause oder kann vom Kunden in der Wunschfiliale abgeholt werden.

Trotz dieser Entwicklungen – und umgehender Dementis – sorgten zuletzt Verkaufsgerüchte rund um Leder & Schuh für Aufsehen.
Beide Seiten haben das in der Sekunde dementiert, trotzdem wurde dieses blöde Gerücht zum Thema gemacht, da greife ich mir nur auf den Kopf. Mir tut es für die Mitarbeiter leid, weil es Unruhe hineingebracht hat, obwohl nichts dran ist. Durch diesen Prozess, den wir durchlaufen sind, haben wir uns eine unternehmerische Unabhängigkeit erarbeitet und diese wollen wir durch unternehmerisches Gestalten auch nutzen. Da sind wir auf einem guten Weg.