Seit fast eineinhalb Monaten gilt das neue Arbeitszeitgesetz. Die Gewerkschaften haben ihren Widerstand nach wie vor nicht aufgegeben. Zum einen will man sich, wie berichtet, bei den angelaufenen Kollektivvertragsverhandlungen (KV) das "zurückholen, was durch das Gesetz genommen" wurde. Zudem gibt es nach wie vor Aktionstage. So auch heute.

Der ÖGB wird von 9 bis 21 Uhr vor der Zentrale der Industriellenvereinigung in Wien protestieren. Das Motto der Aktion: "Stunde um Stunde, Branche für Branche – 12-Stunden-Aktion gegen den 12-Stunden-Tag". Arbeitgebervertreter verweisen weiterhin auf die Notwendigkeit dieser Flexibilisierung und betonen, dass von einem "generellen 12-Stunden-Tag" keine Rede sein könne.

Doch wie haben sich die neuen Regeln bisher tatsächlich in der Praxis ausgewirkt? Stefan Zischka, Partner und Arbeitsrechtsexperte bei Jank Weiler Operenyi/Deloitte Legal, berichtet, dass "viele Betriebe derzeit abwartend agieren". Das habe mit den laufenden KV-Runden zu tun, "die Arbeitnehmervertreter haben ja angekündigt, dass sie Verschlechterungen, die sich aus ihrer Sicht ergeben, entgegenwirken und diese im Rahmen der Kollektivverträge ausgleichen möchten".

Viele Fragen zur Gleitzeit

Auf Beratungsebene registriere man insbesondere Fragen zu den Auswirkungen des neuen Gesetzes auf bestehende Gleitzeitvereinbarungen sowie auf die Wochenend- und Feiertagsruhe. Da für Gleitzeitvereinbarungen eine Bestandsgarantie festgeschrieben wurde, werde eine Begrenzung der täglichen Normalarbeitszeit mit zehn Stunden nicht automatisch auf zwölf Stunden erhöht. "Dafür wäre eine Änderung der Betriebsvereinbarung notwendig", so Zischka. Bei angeordneten Überstunden werde auch bei Gleitzeit ein Zuschlag fällig.

Ein Punkt, der von Arbeitnehmervertretern in Zweifel gezogen wird. Daher sei nun spannend, inwieweit das in die Kollektivverträge einfließt. Insgesamt seien im Gesetz zahlreiche Schutzmechanismen verankert. Zischka nennt etwa Freiwilligkeitsgarantie und Benachteiligungsverbot, die sicherstellen sollen, dass Arbeitnehmer ohne Angaben von Gründen und Sanktionen Überstunden ablehnen dürfen, wenn dadurch die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird.

EU-Richtlinie als Obergrenze

Insgesamt sei freilich zu beachten, dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie, die maximal 48 Stunden Wochenarbeitszeit in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen vorsieht, "jedenfalls eingehalten werden muss". Interessant sei in diesem Zusammenhang, "wie das Arbeitsinspektorat in der Praxis damit umgeht". Neben Flexibilisierung und teilweiser Vereinfachung "der komplexen Materie Arbeitsrecht" ortet Zischka aber auch Unsicherheiten, die sich etwa im Bereich der Ausnahmen ergeben.

Dort werden neben leitenden Angestellten auch "sonstige Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis übertragen" wurden, geführt. Einen "Freibrief für Arbeitgeber" sieht Zischka darin nicht, was das genau bedeute, werde wohl erst "durch die Praxis und die Rechtssprechung geklärt werden".