Top-Ökonomen trauen der deutschen Wirtschaft nach zwei Rezessionsjahren wieder etwas Wachstum zu. Mehrere führende Forschungsinstitute erhöhten am Donnerstag ihre Konjunkturprognosen für 2025 und 2026 und begründeten ihren Optimismus mit dem überraschend guten Start ins laufende Jahr sowie Rückenwind durch die neue deutsche Bundesregierung.
Das Münchner Ifo-Institut, das Essener RWI und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnen für 2025 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,3 Prozent - das IWH aus Halle und die OECD erwarten sogar 0,4 Prozent. Im nächsten Jahr soll es um 1,5 beziehungsweise 1,6 Prozent nach oben gehen, die IWH-Forscher veranschlagen plus 1,1 Prozent.
Tiefpunkt überwunden?
„Die deutsche Wirtschaft sieht etwas Licht am Ende des Tunnels“, erklärten die Regierungsberater aus Kiel. „Die Krise der deutschen Wirtschaft hat im Winterhalbjahr ihren Tiefpunkt erreicht“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Ein Grund für den Wachstumsschub sind die angekündigten Fiskalmaßnahmen der neuen Bundesregierung.“ Trotz der kurzfristigen Belastungen durch handelspolitische Unsicherheiten zeichne sich ab Jahresmitte eine allmähliche Erholung ab, ergänzte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt.
Im ersten Quartal 2025 legte die deutsche Wirtschaftsleistung mit 0,4 Prozent unerwartet kräftig zu - um 0,3 Prozentpunkte stärker als in Österreich. Dies lag auch an vorgezogenen Exporten aus Deutschland in die USA vor Inkrafttreten der höheren Zölle, die US-Präsident Donald Trump gegen viele Handelspartner verhängt hat. Dies könnte sich nun umkehren. „Neben den dämpfenden Effekten der höheren US-Zölle werden auch die vorgezogenen Lieferungen in die Vereinigten Staaten, die zu dem guten Jahresauftakt beigetragen haben, die Produktion zwischenzeitlich belasten“, erläuterte das IfW. Das Ifo erwartet deshalb im laufenden Quartal nur eine Stagnation.
Konjunktur-Risiko: Handelskrieg mit Zöllen
„Die handelspolitischen Risiken bleiben vorerst beträchtlich“, betonte IfW-Präsident Moritz Schularick. „Die erratische Zollpolitik der Vereinigten Staaten erhöht weiter die Unsicherheit für die deutsche Außenwirtschaft.“ Auch IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller sprach hier von einem „erheblichen Risiko für die deutsche Konjunktur“.
Zudem mache den deutschen Exporteuren nach wie vor die deutlich gesunkene Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Im kommenden Jahr, wenn sich die größeren finanzpolitischen Spielräume mit Investitionen der neuen Regierung zunehmend bemerkbar machten, wird sich laut IfW das Wachstumstempo merklich erhöhen. Das Ifo bezifferte die Impulse mit 10 Milliarden Euro für 2025 und mit 57 Milliarden für 2026. „Dadurch dürfte das Wachstum in diesem Jahr um 0,1 und im kommenden Jahr um 0,7 Prozentpunkte höher ausfallen.“
Inflation sollte weiter abflauen
Bei der Inflation rechnen die Fachleute mit einem weiteren Abflauen, was die Kauflaune der Menschen erhöhen dürfte. Das IfW geht davon aus, dass der Anstieg der Verbraucherpreise von 2,2 Prozent in diesem Jahr auf 1,6 Prozent 2026 abebbt. Laut der IfW-Ökonomen werde der private Konsum „angesichts der steigenden Einkommen“ merklich zulegen. Die Kaufkraft der privaten Haushalte erhöhe sich durch die niedrigeren Energiepreise. „Die Konsumfreude wächst“, sagte Ifo-Experte Wollmershäuser.
Auch dürften die Unternehmen allmählich mehr investieren. Die deutsche Regierung will Milliarden in Infrastruktur und Rüstung stecken und mit Superabschreibungen Investitionen anreizen. Die anziehende Konjunktur dürfte laut Instituten zudem den Jobmarkt beleben und die Arbeitslosenquote 2026 wieder drücken.
Derweil appellierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erneut an Deutschland, die Flaute der vergangenen Jahre mit Reformen zu beenden. „Eine weitere Beschleunigung von Strukturreformen ist entscheidend, um das Wirtschaftswachstum in Deutschland zu beleben“, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Vorlage eines OECD-Berichts in Berlin.