Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte nach den Worten ihres Ratsmitglieds Martins Kazaks eine Zinspause einlegen. Angesichts der unsicheren Wirtschaftsaussichten solle sie ihr Pulver trocken halten und nicht von Sitzung zu Sitzung ihre Geldpolitik lockern, sagte Kazaks in einem jüngst veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Die EZB-Währungshüter hatten am vergangenen Donnerstag zum achten Mal seit Juni 2024 ihre Zinssätze gesenkt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, mit dem die EZB ihren geldpolitischen Kurs steuert, wurde um einen Viertelpunkt auf 2,00 Prozent nach unten gesetzt.

„Ich glaube nicht, dass der Markt erwarten sollte, dass der Kurs der Zinssenkungen bei jeder Sitzung fortgesetzt wird“, sagte Kazaks. „Es besteht keine Notwendigkeit. Und es ist sinnvoll, den politischen Spielraum beizubehalten.“

Die jüngste Zinssenkung der EZB sei angemessen gewesen, sagte auch der Chef der deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, in einem Deutschlandfunk-Interview am Wochenende. Man sei jetzt im neutralen Bereich angekommen. Nun könne man sich die Zeit nehmen und erst einmal die Situation anschauen. „Wir haben jetzt hier die maximale Flexibilität auf diesem Zinsniveau.“

Mit Zinssenkungen „nahezu fertig“

Nach Einschätzung des kroatischen Notenbankchefs Boris Vujčić ist die EZB mit Zinssenkungen nahezu fertig, wenn sich die Inflation wie erwartet bei zwei Prozent einpendelt. „Ich würde zustimmen, dass wir fast fertig sind und uns in einer guten Position befinden“, sagte der Währungshüter am Samstag am Rande einer Konferenz in seiner Heimat vor Journalisten. Er warnte, dass sich Überraschungen bei Wachstums- und Inflationsdaten auf das Denken der EZB auswirken würden. Gleiches gelte für den schwer vorhersehbaren Ausgang der Handelsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA.

Viele EZB-Granden für Beibehaltung der Zinssätze

Die meisten EZB-Entscheider befürworten eine Beibehaltung der Zinssätze, die derzeit bei zwei Prozent liegen, auf der nächsten Sitzung im Juli oder möglicherweise auch länger, wie Insider der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Auch Kazaks spricht sich für eine mögliche Pause aus, warnte aber angesichts der sich ständig verändernden politischen Landschaft vor einer festen Zusage - im Zentralbankjargon „Forward Guidance“ genannt.

„Bis zur Juli-Sitzung werden wir nicht viele Daten erhalten, sodass es durchaus sein kann, dass wir eine Pause einlegen“, sagte Kazaks. „Aber die Unsicherheit ist nach wie vor sehr groß, die politische Lage kann sich jeden Tag ändern. Unter diesen Umständen ist Forward Guidance kein guter Ratgeber.“

Selbst wenn die EZB die Zinssätze weiter senken sollte, handle es sich dabei nur um kleine „Feinabstimmungen“ - solange die Inflation mittelfristig beim Zielwert von zwei Prozent bleiben dürfte. „Was die Zinssenkungen angeht, so haben wir schon viel getan“, sagte der Präsident der lettischen Zentralbank. „Wenn es weitere Zinssenkungen gibt, werden sie eine Feinabstimmung sein – es sei denn, wir weichen vom Basisszenario ab.“

„Mit den zwei Prozent schon sehr expansiv“

Nach Einschätzung von Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann habe die EZB mit ihren Leitzinsen bereits ein konjunkturantreibendes expansives Niveau erreicht. Der Gleichgewichtszins in Europa, der eine Wirtschaft weder bremst noch anschiebt, liege gegenwärtig bei etwa drei Prozent, sagte das EZB-Ratsmitglied am Freitag auf einer Veranstaltung in Wien. „Was heißt, wir sind mit den zwei Prozent schon sehr expansiv“, fügte er hinzu.

Holzmann war auf der Zinssitzung in Frankfurt der einzige Währungshüter, der den Zinsbeschluss nicht mittrug. „Ich habe mit meiner einzelnen Stimme das Ergebnis nicht beeinflusst, das war mir klar“, sagte er. Wenn eine Entscheidung aber einmal getroffen worden sei, dann werde sie von allen unterstützt. „Und das gilt auch für mich“, merkte er an.

Erwartet er im Juli bzw. im Rest des Jahres noch weitere Zinssenkungen. In der ZiB2 blieb Holzmann am Montagabend vage, „die Entscheidungen fallen für jeden Termin extra mit eigenen Daten und eigenen Entscheidungen“, so Holzmann. „Es könnte sein, dass die Pause länger anhält, wenn die ökonomische Entwicklung sich verschlechtert, könnte es zu weiteren Zinssenkungen kommen“.